Das verfluchte Allgäu

■ Auch in diesem Winter wird der Skilangläufer Johann Mühlegg von düsteren und verderblichen Mächten verfolgt

Kempten (taz) – Die Sache ist wie verhext. Kaum ist Johann Mühlegg in seinem Haus in Marktoberdorf (Allgäu), befällt ihn ein komisches Gefühl, und schon treibt's ihn in Richtung Toilette: Durchfall. „Meine Frau Monika und meine Tochter Regina kennen diese Probleme nicht“, sagt der beste Skilangläufer im Skating-Stil hierzulande, und er glaubt auch des Rätsels Lösung zu kennen. Ein Fluch habe sich über sein Haus gelegt, behauptet der Sportler, der nur ihn treffe.

Rückblende: Anfang des Jahres, kurz vor Beginn der Olympischen Spiele in Lillehammer, wandte sich Johann Mühlegg mit der Erkenntnis an die Öffentlichkeit: „Ich bin durch einen Fluch belastet. Unter diesen Bedingungen habe ich in Lillehammer keine Chance auf gute Plazierungen.“ Er suchte die Wunderheilerin Justina Agostinho in München auf, die ihn mit angeblich geweihtem Wasser geradezu vollschüttete, ihn von den ärgsten Magen- und Rückenschmerzen befreite und den „Spiritisten, der Mühlegg belastete“, entlarvte: Georg Zipfel, Langlauf- Bundestrainer.

Die nordische Skiszene hatte ihren Skandal. Mühlegg allerdings lenkte noch vor der olympischen Eröffnungsfeier ein und nahm seine Anschuldigungen zurück. Inzwischen steht der Allgäuer beim SC Monte Kaolino Hirschau unter Vertrag, trainiert dort mit seinem Teamkollegen Jochen Behle und Betreuer Fritz Becker. Die Vorbereitung auf die neue Saison, die bereits mit einem Langlauf-Weltcup im schwedischen Kiruna begann, bei dem Mühlegg im klassischen Stil 16. wurde, war hart. Und Johann Mühlegg wollte die Geschichte von den bösen Geistern vergessen.

Der 24jährige Langläufer hoffte vergeblich. „Ich bin mir sicher“, sagt Mühlegg, „daß mich eine Frau aus meiner näheren Umgebung verflucht.“ Anlaß dafür seien, laut Mühlegg, seine öffentlichen Angriffe vom Frühjahr dieses Jahres, als er behauptete, im Allgäu seien Spiritisten am Werk. Der Marktoberdorfer tritt die Flucht an, hält sich nur noch selten in seinem Haus auf. Im Sommer, wenn es auf Trainingsreisen ging, war meist die Familie mit dabei. Die letzten Wochen verbrachte er ohnehin in Schweden.

Zwar gibt es keine Fluch-Vorwürfe mehr in Richtung Bundestrainer, auf den Deutschen Ski- Verband ist Johann Mühlegg aber dennoch nicht gut zu sprechen. Diesmal geht's ums Geld. „Der Verband wollte die Kosten für unsere Lehrgänge übernehmen“, sagt der 24jährige, der zusammen mit Behle losgelöst vom Rest der Nationalmannschaft trainiert, „bisher haben wir allerdings noch keine Mark gesehen.“ Deshalb pfeift der Allgäuer auch auf den „Goldenen Ski“, den ihm die Verantwortlichen des DSV für die besten Langlaufleistungen im Olympia-Winter überreichten. „Davon kann ich schließlich nicht runterbeißen“, klagt Mühlegg.

Vieles deutet darauf hin, daß die deutsche Langlaufszene auch in diesem Winter nicht ohne Skandal auskommen wird. Denn die Funkstille, die derzeit zwischen Mühlegg und Bundestrainer Zipfel herrscht, beurteilt ersterer so: „Vielleicht ist es gut, daß wir noch nicht miteinander telefoniert haben. Sonst könnten die feindlichen Einflüsse wieder auftreten.“ Er hoffe aber, sagt Johann Mühlegg, daß er die Saison ohne Probleme über die Bühne bringe. Dem dürften sich die DSV-Verantwortlichen ohne Wenn und Aber anschließen. Freddy Schissler