■ Das Portrait: Klaus Wittmann
„Das Völkchen spürt den Teufel nie, und wenn es ihn am Kragen hätte.“ Daß der Landwirt Klaus Wittmann aus Oberhaunstadt Goethes Mephisto zitiert, ist so normal wie sein Frühstück am Morgen. Der fünfzigjährige Großbauer kennt sich bei Perikles und Aristoteles genausogut aus wie im Anbau von Weizen ohne Gift. Schließlich hat er beides studiert und wendet beides an – sehr zum Verdruß des Audi-Konzerns in Ingolstadt und der ICE- Planer der Deutschen Bahn AG.
Von Kindesbeinen an war Wittmann mit den Philosophen auf du und du. Sein Vater erzog ihn streng und mit einer Fülle von lateinischen und griechischen Sprüchen. Schließlich wollte der Junge wissen, woher die Weisheiten stammten, und begann zu lesen: „Mein Vater hatte mich infiziert.“
Eigentlich wollte Wittmann Pianist werden, studierte dann aber Landwirtschaft. Nach dem Agrar-Abschluß übernahm er den elterlichen Hof und studierte nebenbei in München Philosophie – immer in den Wintersemestern, wenn er nicht aufs Feld mußte. Heute beackert Wittmann seine 120 Hektar. Trotz einer 60- bis 70-Stunden-Woche schafft er es noch regelmäßig ins Theater und liest zeitgenössische Denker.
Bauer und Philosoph Foto: Roggenthin
Sein wacher Verstand brachte ihn zur Ökologie – und schärfte seinen Blick für die nächste Umgebung. Schließlich wohnt er am Rande der Boomstadt Ingolstadt: Raffinerien, Sondermüll, Audi und eine von weitem sichtbare Dunstglocke. Wittmanns „grüne Oase“, eingezwängt zwischen Audi, der Autobahn und den wuchernden Umlandgemeinden, soll von der neuen ICE- Trasse durchschnitten werden. „Während woanders Menschen verhungern, vernichten sie hier 10 Hektar fruchtbarsten Bodens“, sagt Wittmann, der sich beim Bund Naturschutz engagiert. Er mißbilligt den Geschwindigkeitswahn. „Schnelligkeit macht den Menschen nicht glücklich. Er kommt nicht mehr zum Denken.“ Eine „Verlangsamung“ tue not, und die Menschen müßten erkennen, daß „der elementare Zustand der der Knappheit“ sei.
Für Wittmann, der keine Kinder hat, unverheiratet ist und sich deshalb als „letzten Mohikaner“ bezeichnet, ist klar, daß er seinen Boden nicht verkauft. Mit den Herren von der Bahn will er nicht reden. Damit hat er einen Anwalt beauftragt. „Ich lasse mir doch nicht meine Atemluft beeinträchtigen und meinen Seelenfrieden stören.“ Bernd Siegler
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