Italien weiter auf Mitte-Links-Kurs

■ Bei den Kommunal-Teilwahlen wieder Einbrüche der Regierungskoalition / Demonstrationen für Berlusconi

Rom (taz) – Lange Gesichter bei Italiens Regierungskoalitionären: Bei den Stichwahlen für die Oberbürgermeisterposten von sechs Provinzhauptstädten und drei Dutzend kleineren Gemeinden setzten sich nahezu überall oppositionelle Kandidaten durch. Nur in zwei größeren Städten – Treviso und Pescara – konnten Kandidaten der oberitalienischen Ligen beziehungsweise eines Bündnisses aus Neofaschisten mit der Forza Italia von Ministerpräsident Silvio Berlusconi hauchdünne Erfolge verbuchen.

Schuld an der Niederlage ist einerseits eine akzentuierte Distanz der oberitalienischen Ligen zu der von ihr offiziell mitgetragenen Regierung, was die Kandidaten Berlusconis schon im ersten Wahldurchgang vor vierzehn Tagen deutlich geschwächt hatte. Andererseits fahren die Oppositionsparteien derzeit erstmals einen strategisch klugen Kurs: Die Ex-Kommunisten wie die Nachfolger der Democrazia cristiana, die Italienische Volkspartei, unterstützen ihre Kandidaten wechselseitig und lassen dabei jeweils die Extremgruppen offiziell außen vor. So hat bei der Stichwahl keiner der Mitte- Links-Kandidaten die Voten der kleineren KP-Nachfolgepartei Rifondazione comunista oder des mehrheitlich aus Abspaltern der ehemaligen Christdemokratischen Partei bestehenden „La Rete“ erbeten – sie aber mehrheitlich doch erhalten.

Auch die schweren Niederlagen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung belasteten die Kandidaten der Regierung – erst vorige Woche hatten die Gewerkschaften erreicht, daß die umstrittene Rentenreform vom Haushalt 1995 abgetrennt wurde. Die Rentenreform war das Herzstück von Berlusconis Sparprogramm.

Berlusconi und sein Hauptverbündeter Gianfranco Fini von der neofaschistischen Nationalen Allianz suchen inzwischen die Erfolge der Opposition mit deren eigenen Mitteln zu bekämpfen – der Mobilisierung von Massen. Am Sonntag zogen mehrere Demonstrationszüge für die Regierung durch Großstädte, darunter auch in Rom. Nach Angaben der Veranstalter waren es an die 25.000 Menschen, nach Polizeiangaben zwischen 8.000 und 10.000. Tatsächlich hatten die Fernsehkameras der Berlusconi-Kanäle alle Mühe, auf der Piazza del popolo, wo zwei Minister – darunter Berlusconis engster Vertrauter, Verteidigungsminister Previti – ihre Reden hielten, die leeren Stellen wegzublenden, die einen gar zu deutlichen Kontrast zur Überfüllung während der regierungskritischen Demos vor zwei Wochen darstellten. Werner Raith