Nichts als Frieden von der KSZE

■ Clinton stärkt die KSZE, Kohl noch mehr, und Jelzin will ihr möglichst viel Macht geben

Budapest (taz) – Nato-Osterweiterung oder Ausbau der KSZE zur vorrangigen Sicherheitsinstitution für Europa, Peacekeeping im Bereich der Ex-Sowjetunion unter russischer oder multinationaler Verantwortung: das sind die Hauptkonflikte beim gestern eröffneten KSZE-Gipfel in Budapest. Öffentlich war bereits nach der ersten Stunde fast alles gelaufen. Die Veranstaltungsplaner hatten die Präsidenten aus den USA und Rußland an den Anfang des Rednermarathons plaziert. Die übrigen 49 Staats- und Regierungschefs, die zum KSZE-Gipfel nach Budapest gekommen waren, sprachen im Anschluß vor merklich ausgedünnten Rängen – die eigentliche Arbeit des Gipfels fand hinter den Kulissen statt.

Boris Jelzins Rede war nach dem, was sein Außenminister vor ein paar Tagen gesagt hatte, besonders gespannt erwartet worden. Auf der Konferenz aber war Jelzin ganz Staatsmann: „Die Ausweitung der Nato wird begründet mit der Furcht vor Instabilität in Rußland. Diese Argumentation gibt die russische Demokratie zu früh auf.“ Als Alternative zur Nato-Erweiterung warb Jelzin für ein „allumfassendes gemeinsames europäisches Sicherheitssystem“ auf der Basis „einander verstärkender Sicherheitsgarantien“. Rußland sei besorgt, daß „die Nato eine neue Demarkationslinie durch Europa ziehe und erneut Mißtrauen säe, statt Vertrauen zu schaffen“. Knapp und in fast unwirschem Ton versuchte der Präsident die westlichen Staatschefs zu überzeugen, daß Moskau internationale Kontrolle im eigenen direkten Einflußbereich nicht ablehnt. „Rußland ist bereit, Verantwortung mit der KSZE zu teilen, allerdings nicht auf Kosten der Effektivität der aktuellen Missionen.“

US-Präsident Clinton war direkt vor Jelzin bereits auf den Krieg im Kaukasus eingegangen und hatte angekündigt, die KSZE könne eine Friedenstruppe in die umstrittene Enklave Nagorny Karabach entsenden – die USA würden eine solche Aktion unterstützen. Auch Clinton widmete sich in seiner Rede hauptsächlich dem Verhältnis zwischen KSZE und Nato. Er verteidigte den Nato-Beschluß, jetzt Kriterien zu entwickeln, anhand derer über die Aufnahme neuer Nato-Mitglieder entschieden werden soll. Schließlich, so der US-Präsident, habe das Bündnis „rein defensiven Charakter“.

Doch auch die KSZE soll gestärkt werden. Zuerst einmal durch einen neuen Namen. Aus der „Konferenz“ soll die „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit“ (OESC) werden – mit gestärkten Institutionen und als Regionalorganisation der UNO für Europa. Damit hatte auch Kanzler Kohl, der in seiner Eigenschaft als derzeitiger EU-Ratspräsident gleich nach den beiden Großen auftreten durfte, das Stichwort. Kohl präsentierte einen ursprünglich holländisch-deutschen Vorschlag zum Ausbau der KSZE-Institutionen jetzt als gemeinsame Position der EU. Hierzu gehört, künftig nach dem Prinzip „KSZE first“ bei Konfliktfällen in Europa immer erst die KSZE einzuschalten. Erst wenn innerhalb der KSZE keine Einigung zustande kommt, soll der UN-Sicherheitsrat eingeschaltet werden.

Jürgen Gottschlich/Andreas Zumach

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