Sanssouci
: Vorschlag

■ Gefühlsmusik zum Liebhaben: Heather Nova im Loft

Etwas Pech ist wieder dabei, wenn Heather Nova heute das zweite Mal in Berlin auftreten wird: Vor einem halben Jahr ging ihr Auftritt im Geläuf des trendigen Primal Scream-Gigs unter, diesmal dürfte ihr am gestrigen Abend Penelope Houston – wie es scheint, everybodys darling in dieser Stadt – die Schau, die Presse, die Gäste und deren Geld gestohlen haben.

Das finden wir gemein und gar nicht gerecht, liegt mitunter aber daran, daß Heather Nova weder mit ihrer Musik noch mit ihren lyrics in einen Neo-Folk oder Starke-Wilde-Böse-Frauen- Kontext gezwungen werden kann. Ihre Songs sind überaus dramatisch und kunstvoll ausarrangiert, eher von Kate Bushs Elfenpop als PJ Harveyscher Gitarrenarbeit inspiriert, sind 100 Prozent unfolky und erregen beim oberflächlichen und vorurteilsbeladenen Hinhören schätzungsweise mehr das gehoben-bildungsbürgerliche Gemüt; ohne Rotz oder Rüdigkeit, ohne Punk oder Aufbegehren, halt für den gemütlichen Plausch zu zweit, gemeinsame Träume im Anschluß daran nicht ausgeschlossen. So läßt man sich von Heather Nova gern durch den poetischen Garten der echten und imaginierten Liebesbeziehungen führen, bis daß der Tod sie alle zusammenführt.

Da gibt es kein anbiederndes Sendungsbewußtsein, keinen Appell an falsche Gefühlsproduktionen, sondern nur den etwas wehmütigen, introspektiven Blick; das Sichtbarmachen von schwummerigen Bildern auf dem Grund der Seele und, ganz klar, ein bißchen Kitsch. Weil so etwas nie ohne Vergeblichkeiten und Unerfülltheit geht, muß auch mal das Universum herhalten, und dann wird der big sky above me beschworen, der die emotionalen, vielleicht eine Spur zu oft bemühten Meere, Seen und Flüsse inside me bewacht. Am schönsten wird es aber, wenn sie in dem Song „Doubled Up“ zum Ausgleich allen Übels juchzt: „Feels good, feels like poetry“. Das macht froh, da stört kein einziges Pathospartikelchen, auch nicht das manchmal penetrante Cello. Aus voller Kraft möchte man in diese Musik mit einstimmen, mit dem Effekt, daß sofort folgenlose, schaurig-schöne Traurigkeiten produziert werden können und die eigenen Gedanken ihre melancholisch-sentimentale Wanderschaft aufnehmen. Peinlichkeiten gelten hier nicht, das ist einfach große Gefühlsmusik, zum Liebhaben und zum Äußern von nicht geringeren Wünschen als diesem: „I want you to come walk this world with me“. Gerrit Bartels

Heute, 20.30 Uhr im Loft am Nollendorfplatz, Schöneberg