Macht der Haushalt die Unis tot?

■ Der Wissenschaftsetat wird weit stärker geschröpft als andere Haushaltsetatposten: Weitere 15.000 Studienplätze sollen wegfallen / Welche Fachbereiche geopfert werden, weiß noch niemand

„Am 8.12. ist Unitot-Tag“, verkünden derzeit Plakate an den Berliner Unis. Unter diesem Motto wollen die Studierenden anläßlich der morgigen Haushaltsberatungen im Abgeordnetenhaus vom Brandenburger Tor zum Anhalter Bahnhof ziehen, um gegen die geplanten Einsparungen an den Hochschulen zu protestieren. Das Interesse an den Unis hält sich jedoch, anders als vor einem Jahr, in Grenzen. Damals protestierten weit über 1.000 Studierende im Abgeordnetenhaus gegen den Hochschulstrukturplan, der einen Abbau der Studienplätze um 15.000 auf 100.000 im Jahre 2003 vorsah. Dadurch sollten 130 Millionen Mark eingespart werden.

Inzwischen wären die Hochschulen froh, wenn es bei den Vorgaben des Strukturplans bliebe. Denn morgen wird das Abgeordnetenhaus eine „pauschale Minderausgabe“ in Höhe von 128,9 Millionen Mark für 1995 und 145,5 Millionen für 1996 beschließen. Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) muß bis zum 31. März nächsten Jahres verbindlich sagen, wie das Geld bis zum Jahr 2003 eingespart wird. Dazu sollen Studiengänge, die an mehreren Berliner Unis angeboten werden, eingestellt oder zusammengelegt werden.

„Das ist eigentlich ein zweiter Hochschulstrukturplan“, kommentiert TU-Kanzler Ulrich Podewils die Minderausgabe. Daß in den nächsten zehn Jahren doppelt soviel gespart werden soll wie im Strukturplan vorgesehen, bedeutet für Erhardts Sprecherin Monika Grütters dagegen nicht zwangsläufig entsprechend verringerte Kapazitäten: „Es werden nicht automatisch weitere 15.000 Studienplätze abgebaut. Es gibt ja unterschiedlich personalintensive Studiengänge.“

Wo gekürzt wird, ist noch immer so unklar wie im vergangenen März, als auf einer Sparklausur des Senats der „Abbau von Mehrfachangeboten“ zum Programm erhoben wurde. Im Sommer legte Erhardt eine „Giftliste“ vor, nach der auch große Fächer wie Biologie an FU und TU oder Chemie an der HUB wegfallen sollten. Nach Protesten zog er die Liste mit der Begründung zurück, es habe sich nur um „Planspiele“ gehandelt. Ohne derart drastische Maßnahmen lassen sich die Sparvorgaben freilich nicht umsetzen, wie auch der Plan von TU-Präsident Schumann zur Amputation der Geisteswissenschaften zeigte.

Seither schiebt Erhardt den Unis den Schwarzen Peter zu. Wenn sie auf ihrer Autonomie beharren, so die Argumentation des Senators, müssen die Unis eben selbst entscheiden, welche Studiengänge sie einstellen. Mit einem „Vier-Stufen-Plan“ will er die von den Abgeordneten gesetzte Frist einhalten. Bis zum 31. Januar sollen die Akademischen Senate und der Kooperationsbeirat Vorschläge machen. Kommen beide zu keinem Ergebnis, will Erhardt mit den Präsidenten reden. Kann auch diese Runde sich nicht einigen, soll ein Parlamentsbeschluß die Einstellung von Mehrfachangeboten erzwingen.

Die Uni-Präsidenten warten noch auf den von Erhardt angekündigten Brief. „Frau Dürkop hat keinen Brief von Erhardt bekommen“, beteuert HUB-Sprecherin Susann Morgner. „Wir wissen noch gar nicht im Detail, wie der Betrag auf die Unis umgelegt wird.“ Auch FU-Sprecher Christian Walther weiß von der pauschalen Minderausgabe erst aus der Zeitung. Bislang habe die FU vor allem an den großen Fachbereichen Stellen gestrichen, „denn wir sollen die Fächervielfalt erhalten“. Bei den Sachausgaben werden weniger Bücher gekauft, Reparaturen und Sanierungsmaßnahmen hinausgeschoben: „So weit, daß Gebäude einstürzen, lassen wir's aber nicht kommen.“

„Unsolide“ findet die bündnisgrüne Abgeordnete Sybille Volkholz den Wissenschaftsetat. Die pauschale Minderausgabe des gesamten Landeshaushalts ergäbe, so rechnet sie vor, für die Hochschulen eigentlich nur 28 Millionen. Die Unis würden also dreimal mehr geschröpft als andere Bereiche. Zudem äußere sich Erhardt über die künftige Zahl der Studienplätze „ausgesprochen nebulös“. Der Senator spiele eine „zwielichtige Rolle“ und verteidige die Hochschulen „mit keinem Wort“. Die Planungssicherheit, die für eine Umstrukturierung der Berliner Hochschullandschaft vonnöten wäre, schaffe das Vorgehen der Koalitionäre gerade nicht. Ralph Bollmann