Noch geht es Milosevic gut

■ Delegation des bosnisch-serbischen "Parlaments" reist nach Belgrad

Belgrad/Berlin (taz) – Glaubt man den Fensehbildern, so ging es Slobodan Milošević am Montag abend so gut wie schon lange nicht mehr. Was Wunder, schließlich hatte der serbische Präsident doch erst am Wochenende mit dem englischen Außenminister Douglas Hurd und dessen französischem Pendant Alain Juppé die neueste Version des Plans der Internationalen Kontaktgruppe zur Teilung Bosnien-Herzegowinas für gut und vor allem für „gerecht“ befunden.

Der Besuch einer Delegation des „Parlaments“ der bosnischen Serben am Montag schien jeden Zweifel an seinem balkanpolitischen Comeback auszuräumen – zumal sich die „Parlamentarier“ offenbar Miloševićs Position zur Beendigung des Bosnien-Konflikts anschlossen.

In der serbischen Hauptstadt jedoch wird vermutet, daß der Präsident gute Miene zum bösen Spiel machen mußte. Denn die Delegation aus Pale, dem Hauptquartier des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić, war allem Anschein nach nicht die erste. Schon Anfang Dezember soll eine Gruppe bosnisch-serbischer Politiker bei Milošević gewesen sein. Dejan Anastasijević vom unabhängigen Nachrichtenmagazin Vreme berichtet, damals sei es um einen Sturz des bosnischen Serbenführers gegangen. Karadžić habe dies aber herausbekommen, woraufhin das „Parlament“ der bosnischen Serben auf seiner Sitzung in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember die Reise als „schädlich“ verurteilte – und eine zweite Delegation bildete.

„Die Botschaft Karadžićs an Milošević heißt: Wenn du verhandeln willst, dann tu das mit meinen Leuten“, so Anastasijević weiter. Was den Konktagruppen-Plan angeht, komme dem bosnischen Serbenführer zupaß, daß er selbst damit keine echten Probleme habe. Denn einerseits sei die Annahme eines „Friedensvertrags“, der eine Aufteilung Bosniens im Verhältnis 50 zu 50 vorschlägt, durch die bosnische Regierung mehr als unwahrscheinlich, andererseits beweisen die bosnisch-serbischen Truppen seit Wochen in der muslimischen Enklave Bihać, daß nach wie vor sie und nicht die Armee Sarajevos militärisch das Sagen haben. Das eigentliche Interesse der bosnischen Serben sei deshalb, die jetzigen Frontlinien schlichtweg einzufrieren.

Tatsächlich schließt das Schlußkommuniqué des Belgrader Treffens einen Rückzug der bosnisch- serbischen Truppen während der anstehenden Verhandlungen aus. Zudem besteht Pale darauf, daß die internationale Gemeinschaft mit ihnen verhandelt – nicht mit Milošević.

„Konkret will Karadžić sich nun als Faktor der Stabilität auf dem Balkan verkaufen“, so Dejan Anastasijević. In diese Richtung geht auch die Forderung der Delegation, den Kontaktgruppen-Plan nicht Schritt für Schritt, sondern als Paket zu implementieren. Konkret: Erst soll eine Föderation der serbisch besetzten Gebiete in Bosnien mit dem Serbien Miloševićs und Montenegro, der kleineren rest-jugoslawischen Republik, gebildet werden.

Die Grenzen dieses großserbischen Staates sollen voher direkt zwischen der „Serbischen Republik“ und der Muslimisch-Kroatischen Föderation verhandelt werden. Für die Situation in Bosnien heißt das, daß die serbischen Truppen sich nicht zurückziehen, bevor eine verfassungsmäßige Lösung für ihren „Staat“ erreicht wird.

In Belgrad wird nun vermutet, daß Karadžić vorhat, Führer aller Serben zu werden. Denn dafür braucht er eine echte Vereinigung, nicht nur einen lockeren Verbund der „serbischen Länder“, der irgenwann einmal in eine Föderation übergehen könnte. Nur in einem echten gemeinsamen Staat kann der bosnische Serbenführer seine Leute und seine politischen Alliierten in Belgrad – die nationalistischen Ultra von der „Radikalen Partei“ oder der „Demokratischen Partei Serbiens“ (SDS) – in gemeinsame Gremien einsetzen, in denen diese dann tatsächlich die Mehrheit stellen würden. Und in der Lage wären, Milošević zu stürzen. Rüdiger Rossig