■ Cash & Crash
: Saure Orangen

Berlin (taz) – In Australien hat ein Frühling begonnen, auch ein wirtschaftlicher, der zum erstenmal nicht nur aus Schafen und Kohle besteht. Der Tourismus, der bisher überhaupt nicht ins Gewicht fiel, blüht auf. Drei Millionen Reisende kamen 1993, über acht Millionen werden im Jahr 2004 erwartet. Umweltschützer warnen schon vor den Schäden, die Devisenbörsen haben bereits in ihrem Sinne reagiert: Der Australische Dollar steht so hoch wie seit drei Jahren nicht mehr, nämlich bei 1,21 Mark. Späteinsteiger sollten daher vorsichtig sein. Das teure Urlausbgeld könnte zu leeren Hotelbetten und Kursstürzen führen. Der Rest in der Spekulationskasse reicht am Ende des Geschäfts nicht einmal mehr für das Flugticket.

Gegen solches Pech sind einst die sogenannten Derivate erfunden worden. Aber die Finanzwetten auf künftige Geld- und Aktienkurse verschärfen das Problem. Robert Citron zum Beispiel hätte gute Gründe, an einen dauerhaften Australienaufenthalt zu denken. Zu Hause untersucht ein Staatsanwalt die Geschäfte des Kämmerers im kalifornischen Landkreis Orange County. Seine Idee war nicht schlecht, aber falsch. Citron kaufte mit den Steuereinnahmen der Gemeinde und Rücklagen öffentlicher Unternehmen Optionsscheine, die nur dann Gewinn eingebracht hätten, wenn die US-Notenbank die Zinsen gesenkt hätte. Diesen Gefallen tat Alan Greenspan dem Kämmerer nicht. Die Zinsen stiegen, Orange County verbucht einen 1,5-Milliarden-Dollar-Verlust.

Mit etwa 20 Milliarden Dollar Anlagevermögen ist die Gemeindekasse immer noch gut gefüllt. In Orange County wohnt, wer es geschafft hat, die Downtown von Los Angeles sozial zu verlassen, ohne Filmstar mit Pflichtadresse in Malibu zu werden. Die anonymen Aufsteiger könnten eine kleine Citron- Steuererhöhung verkraften, sauer sind sie trotzdem. Sie dürfen auf Verständnis rechnen, Orange County ist kein Einzelfall. Die amerikanische Notenbank regt seit Monaten schärfere Kontrollen der Optionsgeschäfte an. „Bankers Trust“ in New York und eine Gruppe von 30 Banken in Washington haben jetzt diese Vorschläge aufgegriffen. Oft seien es junge und unerfahrene Makler, die zu riskanten Derivaten rieten, meint die Dreißiger- Gruppe. Kunden, deren Portefeuilles durch hohe Anteile an Optionscheinen auffallen, sollten von älteren Managern aufgeklärt werden.

Amerika hat es besser. Auch Kunden deutscher Banken beklagen sich über Verluste mit Derivaten, die ihnen aufgedrängt wurden. Sie werden als Dummköpfe mit vollem Risiko behandelt. Die BfG-Bank ist zwar in einem Fall zu einem Schadenersatz von 420.000 Mark verurteilt worden, hat aber umgehend Berufung eingelegt. Über den Kundenschutz muß jetzt der Bundesgerichtshof entscheiden. Aber noch nicht einmal ein Termin ist bekannt. Niklaus Hablützel