Rußland bremst die Gipfel-Stürmer

■ Die KSZE gab sich zwar einen neuen Namen, konkrete Beschlüsse wurden allerdings nicht gefaßt

Budapest (taz) – Der Budapester Gipfel der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ist in wesentlichen Punkten gescheitert. Wegen des Einspruchs Rußlands konnten sich die Staats- und Regierungschefs aus 51 Staaten weder auf eine gemeinsame Erklärung zur Lage in Ex-Jugoslawien einigen noch auf die Entsendung einer Peacekeeping- Truppe nach Nagorny Karabach. Auch Vorschläge, die Priorität der KSZE für die Behandlung künftiger Konflikte in Europa festzuschreiben (Prinzip: „KSZE First“) und sie mit einem umfassenden Mandat für Peacekeeping-Operationen auszustatten, fanden keinen Konsens. Vereinbart wurden lediglich eine Namensänderung der Konferenz in „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit“ (OSZE), eine Absichtserklärung zu künftigen Rüstungskontrollmaßnahmen sowie einige Maßnahmen zur Stärkung der OSZE-Strukturen. Angesichts des enttäuschenden Verlaufs des Gipfels wurden in Budapest Befürchtungen vor einer Neuauflage des Kalten Krieges laut.

Die geplanten Erklärungen zu Ex-Jugoslawien wie zur Lage in der umkämpften nordwestbosnischen Stadt Bihać scheiterten in der Nacht auf Dienstag am Veto Rußlands. Bei den Verhandlungen hinter verschlossenen Türen lehnte die Delegation aus Moskau sämtliche Formulierungsvorschläge ab, in denen die Serben in Bosnien und der kroatischen Krajina verurteilt oder auch nur als Verantwortliche für Kriegshandlungen benannt wurden. Der Forderung der bosnischen Delegation, im gestrigen Abschlußplenum der Regierungschefs offen über einen schwedischen Textentwurf abzustimmen, in dem die Pale-Serben und die Krajina-Serben scharf verurteilt werden, traten Bundeskanzler Kohl und andere westliche Regierungschefs entgegen aus Furcht vor einer Bloßstellung und Isolierung Moskaus. Kohls Vorschlag, statt dessen lediglich einen Appell zur ungehinderten humanitären Versorgung der Menschen in Bihać und anderen bosnischen Regionen zu verabschieden, wurde von der bosnischen Delegation als unzureichend abgelehnt.

Die Entsendung einer multinationalen OSZE-Friedenstruppe für Nagorny Karabach, gegen die Rußland erhebliche Bedenken geäußert hatte, wurde im Abschlußdokument des Gipfels zwar als „Möglichkeit“ ins Auge gefaßt. Die eigentliche Entscheidung wurde aber verschoben und von zahlreichen bislang noch nicht erfüllten Voraussetzungen abhängig gemacht. Zunächst soll der ständige Ausschuß hoher Beamter der OSZE-Staaten zahlreiche praktische Details einer solchen Friedenstruppe „prüfen“. Zudem bedarf es noch der Zustimmung der beiden Konfliktparteien Armenien und Aserbaidschan. Vor einer Entsendung soll außerdem der UNO-Sicherheitsrat, in dem Rußland über Vetorecht verfügt, einen offiziellen Auftrag an die OSZE erteilen.

Auch die Vorschläge, die OSZE mit einem umfassenden Mandat für Peacekeeping-Operationen auf dem Territorium ihrer Mitgliedsstaaten auszustatten und ihre Priorität für die Behandlung künftiger Konflikte festzuschreiben, wurden zu weiteren Beratungen an den Ausschuß hoher Beamter verwiesen. Andreas Zumach

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