Schlägt das Imperium zurück?

■ Nach Randale im Karoviertel: Staatsanwaltschaft leitet Vorermittlungen gegen die Polizeispitze ein: wegen Strafvereitlung Von Sannah Koch

Zufälle gibt–s ... Just vor drei Wochen kassierten zwei Hamburger Staatsanwälte eine Rüge ihres Dienstherren, weil sie offenbar Ermittlungsverfahren gegen Polizisten nicht aktiv genug kontrolliert und beanstandet hatten. Und auf einmal können die Ermittler voller Elan die Ärmel hochkrempeln. Bei soviel Tatendrang kam nun etwas ganz Besonderes und Einzigartiges heraus: ein Vorermittlungsverfahren gegen die Polizeiführung. Die soll möglicherweise in der Nacht auf den vergangenen Freitag bei der Randale im Karolinienviertel Strafvereitlung betrieben haben.

Brennende Barrikaden, fliegende Pflastersteine und Brandsätze von Bewohnern des Bauwagendorfs Bambule, die gegen ihre Vertreibung aus dem Karoviertel protestierten. 300 Polizisten im Einsatz – und trotzdem keine Festnahme. Aber dafür zwei Tage später eine Erklärung von Innensenator Hartmuth Wrocklage. Der hatte während der Auseinandersetzungen den Dialog mit der Gegenseite gesucht und gefunden. Um dieses Gespräch mit den Demonstranten möglich zu machen, so Wrocklage, habe er den „Landespolizeidirektor gebeten, dafür Sorge zu tragen, das weitere Vorrücken der Polizei kurzfristig zu unterbrechen“.

Das ist sie, die mögliche Schandtat. Denn die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob es einen „Anfangsverdacht“ dafür gibt, daß die Polizeispitze (hier: Landespolizeidirektor Heinz Krappen und Wrocklage) rechtswidrige Taten durch die Anordnung des Nichteingreifens zugelassen hat. Daß diese Vorermittlung sich gegen diese beiden richtet, darüber ist man sich in der Innenbehörde bewußt. Auch wenn Staatsanwaltsprecher Rüdiger Bagger gestern betonte, es handele sich um die Prüfung eines Anfangsverdachts, der sich noch nicht gegen bestimmte Personen richte.

Einmalig: Sowohl der persönliche Einsatz des Senators vor Ort wie auch der Umstand, daß jetzt Staatsanwälte aufmerken, weil angeblich versäumt wurde, Randalierer festzunehmen. Rache ist süß – das Imperium schlägt zurück? Ermittler, die beweisen wollen, wie genau sie der Polizei auf die Finger schauen können?

Ein solches Verfahren müsse nicht von einer speziellen Abteilung eingeleitet werden, so Bagger. In diesem Fall sei es vom leitenden Oberstaatsanwalt am Landgericht, Dr. Erwin Grosse, eingeleitet worden. Schließlich habe es nach der Krawallnacht eine ausführliche Pesseberichterstattung inklusive heftiger Vorwürfe gegen des Senators Vermittlungsversuche gegeben. Da Strafvereitlung ein Offizialdelikt sei, müsse die Staatsanwaltschaft bei einem Verdachtsmoment dem Sachverhalt nachgehen.

Wrocklage mochte die Angelegenheit nicht kommentieren. Aus der Innenbehörde waren jedoch Mutmaßungen zu vernehmen, daß die Staatsanwaltschaft zu anderen Zeiten vermutlich großzügiger verfahren wäre: „Die scheinen nach dem Polizeiskandal besonders sensibilisiert.“

Die Gunst der Stunde nutzte der Vorsitzende des Innenausschuß, Karl-Heinz Ehlers (CDU) gestern. Trotz vesuchten Totschlags und eines brennenden Viertels, mäkelte er, habe der Senator mit zwei Vermummten geredet, so als ob ihm ein Vermummungsverbot nicht bekannt sei. Er kündigte eine Ausschuß-Sondersitzung für kommende Woche an.