Der Hanf zum Gesamtkunstwerk

■ Am Mühlendamm 5 eröffnete das erste deutsche Museum gegen den Marihuana-Mißbrauch (durch eine irregeleitete Justiz und Polizei)

Das alte Bronze-Schild „Handwerksmuseum“ hängt noch, aber an der Tür steht schon der neue Name – auf Pappe: „Hanfmuseum“. Die edlen Vitrinen bekamen die zünftig langhaarigen Museumsbetreiber, der Hanfverein e.V., vom „Friseurmuseum“ dauergeliehen. Das Handwerks- ebenso wie das Friseurmuseum sind gerade unter der Verwaltung des zum Sparen verurteilten Berlin-Märkischen Doppelmuseums abgewickelt worden, ihre Sammlungen kamen ins „Dorfmuseum“ nach Marzahn.

Der Pförtner im Märkischen Museum kennt das neue „Hanfmuseum“ noch gar nicht: „Damit haben wir nichts zu tun.“ Und daß jetzt der Hanfverein die monatlich 6.000 DM Miete an die Wohnungsbaugesellschaft aufbringen muß, für 180 Quadratmeter Ausstellungsfläche und 100 Quadratmeter Café mit Veranstaltungssaal, wundert ihn auch nicht: „Die werden sich schon was dabei gedacht haben. Mit Eintrittsgeldern allein kann man das jedenfalls nicht betreiben. Das weiß ich ja vom Handwerksmuseum, da reichte das nicht mal für die Gehälter.“

An Gehälter wiederum haben die Betreiber, u.a. Eva Hodge und die Tochter von Wolfgang Neuss, Jette, gar nicht gedacht: Erst einmal hoffen sie auf mindestens 1.000 Besucher monatlich und zusätzliche Einkünfte durch den Verkauf von Hanf-Produkten. Wobei sie im Gegensatz zum Pförtner an Waren diesseits jedes THC-Gehalts und mithin ohne direkte Rauschwirkung denken, also an Stofftaschen, T-Shirts, Papier etc.

Dennoch ist der „Hanfverein“, im Gegensatz zur „Hanfgesellschaft e.V.“, eher an der Legalisierung der Droge Hanf interessiert als an der industriellen Verwertung der Nutzpflanze Cannabis. Im Hanfmuseum am Nikolaiviertel sind natürlich beide Stränge exponierend aufbereitet worden, inklusive eines kleinen, aber feinen „Wolfgang Neuss Gedächtnisraumes“ („Auf deutschem Boden darf nie wieder ein Joint ausgehen“).

Hinter den Kulissen tobt aber dennoch nach wie vor der Kampf zweier Linien: Die Hanfgesellschaft versucht kommerziell verwertbare Konzeptionen zu entwickeln. Zu ihren Mitgliedern zählt die Agrargenossenschaft Marzahn, wo man aus Hanf Baustoffe produzieren will, und die GAIA GmbH Uetz-Bornim, deren Geschäftsführer gerade gegen die Bundesregierung klagt, weil sie den EG-subventionierten Hanfanbau verboten hat. Den Samen bezieht man jetzt schon aus der Ukraine, wo bald auch das Hanföl herkommen wird, mit dem schnell abbaubare Detergenzien hergestellt werden sollen (nach einem Verfahren, das jüngst von einem abgewickelten DDR-Chemiker entwickelt wurde). Zur Hanfgesellschaft gehört ferner die Schöneberger „Hanfhaus GmbH“ (neben dem Reisebüro „Cool Running Tours“, wo man u.a. Hanfreisen nach Jamaika organisiert) sowie das Kreuzberger „Hanf-Kontor und -Lager“. Grob gesagt handelt es sich bei dieser „Gesellschaft“ um schlechte Profis (weil Überzeugungstäter) und beim Hanf-Museumsverein um Dilettanten im besten Sinne (weil allzu naßforsch). Erstere sehen denn auch schon die Museumspleite am Horizont, während letztere noch hoffen, daß mit dem baldigen, legalisierungsbedingten Wegfall des Risikoaufschlags beim Haschischverkauf statt dessen eine Museumsgroschen-Abgabe bei Dealern und Endverbrauchern greift.

Schon aus Propagandagründen ist die Hanfgesellschaft natürlich nicht am Scheitern des Hanfmuseums interessiert. Die von ihr engagierte Projektgruppe „Hanf“ am Fachbereich „Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation“ der HdK, die bis Mai 95 eine „Image- Kampagne“ organisieren soll, hat deswegen auch das Museum in seine Phase 1/2 „Umfrage und Planung“ einbezogen. Merkwürdigerweise sprach die HdK-Projektgruppe jedoch relativ abfällig von „Kiffern“, als ich sie vor einer Vitrine mit lebenden Cannabis- Pflanzen im Hanfmuseum ansprach. „Dem Zeug sieht man nicht an, ob aus ihm mal eine Jacke oder ein Joint wird“, wie es bei der Bundesopiumstelle heißt, wo man das Zeug nach wie vor als „nicht- verkehrsfähiges Betäubungsmittel einstuft.

Die jungen Werbe-Menschen kamen aus Süddeutschland. Und das erklärt schon fast ihre Abstinenz: Es gibt nämlich ein starkes Nord-Süd-Gefälle in der Haschisch-Akzeptanz. Dem Berliner Hanfmuseum kommt das sehr entgegen und gelegen. Wenn man sich dann auch noch, von Kokain-München kommend, bald durch märkische Hanf-Felder hindurch der Hauptstadt der Erregung nähert – dann könnte alles gut werden. So sieht es jedenfalls Hanfpapst Bröckers, der irgendwie hinter all diesen ebenso friseur- wie bierfeindlichen Berliner Kräften steckt. Helmut Höge