Intelligenz ist nicht das Maß aller Dinge

■ betr.: „Höhnsche Bevölkerungs politik“, taz vom 1.12.94

Eigentlich ist die gesamte Diskussion um die Intelligenz von Völkern ja hinfällig, weil sie statistisch eh nicht beweisbar ist. Mensch fragt sich schon lange, warum für solche Studien überhaupt Geld ausgegeben wird. Interessanterweise vollzieht jedoch die zu Recht empörte Öffentlichkeit bei einer solchen überflüssigen Aussage im Geiste das nach, was allgemeiner Konsens bei allen zivilisierten Weißen zu sein scheint, insbesondere in Deutschland:

1. Die „anderen“ mit mehr Intelligenz sind wir.

2. Weniger Intelligenz = dümmer = weniger wert = kann vernichtet oder vernachlässigt werden beziehungweise ist zum Zwecke der Ausbeutung zu entwickeln und zu zivilisieren.

Inbesondere gegen Nummer 2 protestiert mensch mit Recht, vor allem in Deutschland. Wen Frau Höhn mit „andere“ gemeint hat, ist leider unbekannt.

Aber nur mal angenommen, Intelligenz könnte gemessen werden und das, was Frau Höhn gesagt hat, würde stimmen, was wäre damit bewiesen? Wenn mensch die Gedankenkette unter 2. einmal außer acht ließe und danach fragte, was die Länder mit „mehr Intelligenz“ denn mit ihrem „Intelligenzüberschuß“ anfangen, dann ergibt sich eine viel spannendere Gedankenkette:

Mehr Intelligenz = weniger gesunder Menschenverstand = mehr Gewalt = mehr Umweltzerstörung = weniger wert = sollte vernichtet oder vernachlässigt beziehungsweise aus Selbstschutzgründen entwickelt und zivilisiert werden.

Der Beweis, daß mehr Intelligenz auch mehr menschliche Kompetenz bedeutet, steht noch aus, auch wenn alle so tun, als wäre das längst bewiesen. Wenn mensch bedenkt, daß auch das Leben eines weißen, zivilisierten Menschen mit „Intelligenzüberschuß“ immer noch überwiegend durch Gefühle, Instinkte und Reflexe bestimmt wird, daß der Verstand zivilisierter Menschen hiervon keine Ahnung hat und die Menschen daher kräftigst durcheinanderbringt (ich sage nur Psychotherapie), dann sollten wir vielleicht der zweiten Satzhälfte von Frau Höhn mehr Beachtung schenken. Wenn wir ferner bedenken, daß der „Intelligenzüberschuß“ der westlichen Länder unseren netten Planeten demnächst in Schutt und Asche gelegt haben wird, dann plädiere ich doch ganz entschieden dafür, sich von einem eventuell vorhandenen „Begabungsüberschuß“ der Afrikaner etwas abzugucken. Intelligenz ist nicht das Maß aller Dinge.

Aber Intelligenz kann ja nicht bewiesen werden, und deshalb protestiere ich energisch gegen die Verwendung von Steuergeldern für einen derartigen Blödsinn. Und natürlich gegen Frau Höhn, die meiner Meinung nach genau das gemeint hat, was ihr alle vorwerfen. Claudia Freyer, Belzig