Stolpert Berlusconi doch noch über Di Pietro?

■ Rücktritt des Korruptionsermittlers bringt die Italiener in Rage

Rom (taz) – Heftige Reaktionen gab es gestern in Italien auf den Rücktritt des Mailänder Antikorruptions-Chefermittlers Antonio Di Pietro. Dieser hatte am Montag am Ende seines bisher unerbittlichsten Plädoyers im Gerichtssaal den Entschluß verkündet, sein Amt und den Staatsdienst überhaupt zu quittieren.

Von den „Folgen eines Anschlags auf die wichtigste Säule der Demokratie“ spricht die Linksopposition. Aber auch die an der Regierung beteiligte Liga Nord äußerte „Bitterkeit und Besorgnis“ über den Schritt Di Pietros. Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro forderte den Ermittler auf, seinen Rücktritt zu überdenken.

Mitarbeiter Silvio Berlusconis versuchen derweil, die Folgen für den Regierungschef abzuschätzen. Noch während des Plädoyers Di Pietros, als sich Gerüchte um den Rücktritt verdichteten, war es zu Demonstrationen für den Staatsanwalt gekommen, die lautstark den Rücktritt der Regierung forderten.

Begründet hatte der 45jährige Untersuchungsrichter die Demission mit der „zunehmenden Instrumentalisierung“ seiner Arbeit und seiner Person. Ein Rüffel nicht nur für seine Gegner, sondern auch für viele seiner „Freunde“. Die hatten sich von seinen Ermittlungen einiges erhofft und versuchten das Mailänder Amt immer mal anzustacheln, in dieser oder jener Hinsicht schärfer oder aber weniger entschieden zu recherchieren.

Schon im vergangenen Sommer hatte Di Pietro – zusammen mit allen zwölf Staatsanwälten und dem Chef des Antikorruptions-Pools – seinen Rücktritt erklärt. So erreichten die Strafverfolger, daß ein Dekret zur Freilassung von Schmiergeldempfängern und -zahlern außer Kraft gesetzt wurde – und blieben im Amt. Das Faß zum Überlaufen brachte nun die Entsendung von Inspektoren ins Mailänder Amt. Die sollten dort nach Material über Rechtsbeugungen oder Verfahrensfehler suchen. Nach Meinung von Verfassungsexperten ein eklatanter Rechtsbruch seitens der Exekutive.

In seinem letzten Plädoyer hatte Di Pietro noch einmal alle Register gezogen: Auf einem Bildschirm visualisierte er die Anklagepunkte gegen nahezu alle hohen Politiker der letzten zwanzig Jahre und forderte Freiheitsstrafen zwischen zwei und fünf Jahren für Parteisekretäre, Schatzmeister, Ex-Minister und -Staatssekretäre.

Gleichzeitig wurde in einem anderen Gerichtssaal ein Urteil gesprochen, wie es für von Di Pietro vorbereiteter Prozesse typisch ist: Dreieinhalb Jahre für Silvio Berlusconis einstigen Hauptprotektor und langjährigen Chef der Sozialistischen Partei, Bettino Craxi. Werner Raith

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