Europa verstößt gegen Menschenrechte

■ Ab heute tagt in Berlin das Basso-Tribunal / Die Anklage: Westeuropäische Staaten verletzen mit ihrer Flüchtlingspolitik Menschenrechtserklärung

Berlin (taz) – Die westeuropäischen EU- und Efta-Staaten verraten genau jene humanistischen Prinzipien, auf die sie sich angeblich stützen. Mit ihrer Asyl- und Flüchtlingspolitik verletzen sie wesentliche Artikel der Allgemeinen Menschenrechtserklärung und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Außerdem werden die Bevölkerungen der einzelnen Staaten betrogen, indem ihnen suggeriert werde, die, die ins Land kämen, seien „falsche Flüchtlinge“.

Das sind die wesentlichen Punkte, auf denen die britische Rechtsanwältin Frances Webber heute ihre Anklage vor dem Basso-Tribunal in Berlin aufbauen wird. Um die Anklage zu belegen, werden bis Sonnabend Experten zu Fluchtursachen referieren, werden Länderberichte vorgestellt und Zeugen gehört. Sieben anerkannte und abgelehnte Asylsuchende aus Algerien, Peru, Kolumbien, der Türkei, dem Iran, Makedonien und Zaire schildern anschließend ihre Erfahrungen mit der europäischen Asylpolitik. „Wir werden Beispiele nennen von Flüchtlingen, die in Haft oder während der Abschiebung gestorben sind oder die angesichts der endlosen Anerkennungsverfahren oder in Abschiebehaft in den Selbstmord getrieben wurden“, kündigte Webber gestern an.

Das „Ständige Tribunal der Völker“ wurde 1979 von dem italienischen Sozialisten Lelio Basso als Nachfolger des Bertrand-Russell-Tribunals gegründet. Das quasi-juristische Forum mit Ankläger, Pflichtverteidiger und einer zehnköpfigen internationalen Jury, die überwiegend aus Literaten und Wissenschaftlern besteht, hat lediglich appellatorischen Charakter. Bindend ist das Urteil nicht. Nach dem Ende des Tribunals werden die Berichte an die UNO und Menschenrechtskommissionen internationaler Organisationen weitergeleitet.

Mit der Inszenierung eines Tribunals solle die Öffentlichkeit aufgerüttelt werden, erläuterte gestern die ehemalige österreichische Parlamentarierin Freda Meißner- Blau die immer wieder gestellte Frage nach dem Warum. Neben einem Urteil sollten auch Strategien entwickelt werden. „Als Hintergrundinformation für Menschenrechtsgruppen und Experten sind die Ergebnisse sehr wichtig.“ Den Betroffenen würde mit der juristischen Argumentation „unglaublich der Rücken gestärkt“ und Argumente für ihre politische Arbeit geliefert. Am Montag wird im Rathaus Schöneberg das Urteil verkündet. Auch wenn es nach allen Beteuerungen der Veranstalter noch nicht feststeht, ist klar: Die Anklage wird sich durchsetzen. Jeannette Goddar