Der Kohlepfennig ist gefallen

■ Verfassungsgericht verbietet bisherige Kohlesubventionierung / Keine Panik unter Tage

Berlin (taz) – Wer Strom verbraucht, muß nicht unter Tage fahren wollen. Das hat das Karlsruher Verfassungsgericht gestern festgestellt und damit den Politikern Nachilfeunterricht erteilt. Seit Monaten streiten Wirtschafts- und Umweltminister über eine Energiesteuer. Weder in Bonn noch in Brüssel ist eine Einigung abzusehen. Jetzt müssen sie sich beeilen. Bis Ende des nächsten Jahres muß der sogenannte Kohlepfennig aus allen Stromrechnungen gestrichen werden. Der Aufschlag, mit dem bisher der Abbau deutscher Kohle subventioniert worden ist, widerspricht dem deutschen Grundgesetz, haben die Richter entschieden.

Sie geben damit einem Stromkunden aus Moers recht, der gegen diese Art der Subvention vor Gericht gezogen war. Der Kläger wollte nicht einsehen, warum ihn das sogenannte „Dritte Verstromungsgesetz“ – das die Höhe der Sonderabgabe für das Jahr 1995 regelt – erneut zwinge, mit seinem Stromkonsum die Arbeitsplätze der Kohlekumpel zu bezahlen. Tatsächlich, meinen jetzt auch die Karlsruher Richter in der letzten Instanz, sei eine solche Sonderabgabe „nur in seltenen Ausnahmefällen gerechtfertigt“. Und dann dürfe sie nur von Personengruppen erhoben werden, die „der damit zu finanzierenden Aufgabe besonders nahe stehen“.

Der Verbrauch von Elektrizität, schreiben die Richter, sei heute so allgemein verbreitet „wie das tägliche Brot“. Die Gruppe der Stromverbraucher sei „konturlos“ und könne deshalb nicht für das Schicksal des Kohlebergbaus verantwortlich gemacht werden.

Das ist das Ende des sogenannten „Jahrhundertvertrages“ aus dem Jahre 1974, der eben diese Lastenverteilung vorsah. Schon im letzten Jahr einigten sich die Bonner Regierungskoalition und die Sozialdemokraten auf eine Änderung. Ab 1996, so gilt seither, soll die deutsche Kohle mit einem Garantiebetrag von sieben Milliarden Mark jährlich unterstützt werden. Wie diese Staatsbeihilfe finanziert werden soll, ist ungeklärt. Das Gericht hat nun entschieden, daß sie – wenn überhaupt – nur aus dem allgemeinen Steueraufkommen bezahlt werden darf.

Die Bundesregierung bedauert diese Entscheidung. Für den Fraktionschef der Sozialdemokraten im Landtag von Nordrhein-Westfalen dagegen ist damit die „Stunde der Wahrheit“ gekommen. Die Bundesregierung müsse nun endlich eine allgemeine Energiesteuer beschließen, fordert Friedhelm Farthmann. Auch die unmittelbar betroffene Gewerkschaft Bau Steine Erden sieht vorerst „für Panik keinen Grund“. Greenpeace-Experte Hans Laing warnt vor verfrühten Illusionen: Diese höchstrichterlich empfohlene Energiesteuer werde unter diesen Umständen nur dazu dienen, eine umweltschädliche Energiequelle weiter zu nutzen. Niklaus Hablützel