Käufer, verzweifelt gesucht!

■ Hafenstraße: Räumen oder verkaufen? Patriotische Gesellschaft bietet sich als Träger an / SPD-Fraktion sauer über Voscheraus Alleingang Von Sannah Koch

Überraschungsangriff gegen die Hafenstraße: Ausfallschritt und gerade Rechte. Dann unentschiedenes Tänzeln: Folgt nun der Rückzug oder die Vorbereitung zum finalen K.O.? Hamburgs Bürgermeister läßt deuten: Will er oder will er nicht? Und wenn, was und mit wem? Es sei offenbar nicht gelungen, die in der Hafenstraße angestrebte rechtsstaatliche Normalität zu erreichen, erklärte Voscherau gestern unerwartet. „Die Bewohner haben die ausgestreckte Hand nicht ergriffen.“ Doch dann Wankelmütiges: „Aus meiner Sicht lauten die Alternativen Räumung oder Privatisierung.“ Jetzt heißt es also: Käufer, verzweifelt gesucht.

Plattmachen oder verkaufen: Was will der Stadtchef wirklich? „Meine Meinungsbildung dazu ist noch nicht abgeschlossen,“ mit diesem Satz entließ er die politischen Interpreten der Hansestadt in den freien Fall. Als Begründung für sein vernichtendes Urteil (“Die ganze Idylle war nur Schein. Nach wie vor handelt es sich um festungsartige Häuser mit gewaltbereiten Bewohnern“) führt Voscherau die diesjährigen Polizeieinsätze an. Der letzte war im November zur Entfernung des Symbols der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK an einer Hauswand erfolgt. Dieser Bewertung mochte sich gestern aber nicht jeder auf der Regierungsbank anschließen.

Nun also Meinung bilden: Stoff gibt's reichlich. So das Angebot der Patriotischen Gesellschaft. Die hat dem Senat mehrere Vorschläge zur Lösung seines Problems vorgelegt. Bei dem Modell, das der Regierung am meisten gefallen dürfte, bietet sich die Gesellschaft als Vertragspartnerin an: Der Senat soll ihr als freier Trägerin die Häuser in Erbpacht übertragen, dafür übernähme sie die Grundeigentümerpflichten. „Natürlich in Zusammenarbeit mit der Hafenstraßengenossenschaft“, so „Patriot“ Volker Doose. Für Konfliktbewältigung hätten sie genug „idealistischen Touch“: „Wir können uns auch mal Tomaten vom Kopf wischen und dann sagen, laß' uns weiterreden.“

Doch dieser Idealismus scheint einigen Senatoren nicht genug. Dort wird im Fall der Privatisierung eine strikte Entstaatlichung gefordert. Und das heißt: Verkauf der Grundstücke – und zwar nicht zum politischen Preis. Und schon gar nicht eine nebulöse Organisation oder Genossenschaft als Ansprechpartnerin, so spricht man im Senatsgehege. Noch mehr Nebel verbreitete Voscherau gestern über den NDR: In Sachen Privatisierung habe er bereits interessierte Stimmen aus der Wirtschaft gehört.

In der Fraktion der Statt Partei stößt der Vorschlag der Patriotischen Gesellschaft auf Sympathie. Für Fraktionschef Achim Reichert bedeutet er sogar die letzte Hoffnung: „Wenn es damit nicht klappt, gibt es keine Alternative zur Räumung.“ Bei ihnen werde nun der Schlußstrich gezogen und addiert; noch seien die Ansichten geteilt.

Unterdessen werden in der SPD offensichtlich die Messer gewetzt: Der Alleingang Voscheraus hat sogar beim ansonsten getreuen Mitstreiter und Fraktionschef Günter Elste anscheinend erhebliche Mißstimmungen aufkommen lassen. Den schwarzen Peter, den Voscherau dem Parlament via Bild-Zeitung zuschusterte (“Aus meiner Sicht muß die Bürgeschaft jetzt eine Richtungsentscheidung treffen“), gab er jedenfalls sofort zurück. In ungewöhnlich rüdem Ton kontert er: „Angesichts der Erklärung des Bürgermeisters erwarte ich, daß der Senat die Bürgerschaft mit einer Vorlage befassen wird, in der die Ereignisse um die Hafenstraße während des letzten Jahres präzise dargestellt und bewertet werden.“