Krawallvermeidung durch Humor

■ Polizei, Kaufleute, Viertelbürgermeister und Sielwallhaus planen gemeinsame Silvester-Aktion

Der fast alljährliche Silvester-Krawall auf der Sielwallkreuzung soll in diesem Jahr mit einer friedlichen Gegenveranstaltung verhindert werden.

Polizei, Kaufleute und Szene-Initiativen wollen auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit Punsch-Ausschank für gute Stimmung sorgen, die einen Gewaltausbruch mit hohem Sachschaden verhindert.

Bremens komplette Polizeiführung, die Beiräte und Kaufleute aus dem Viertel, der frischgebackene neue Ortsamtsleiter, ein Vertreter der Sielwallhausinitiative, einer des Lagerhauses und einer aus dem Jugendfreizeitheim Friesenstraße saßen am Mittwoch abend zusammen, um sich auf Silvester vorzubereiten. Und am Anfang sah es so aus, als käme gar nichts dabei heraus. „Jedes Jahr dasselbe“, schimpfte Polizeipräsident Rolf Lüken lediglich, „irgendwann wird das Feuer zu hoch, dann müssen wir einschreiten, und dann gehen die Krawalle los.“ Und der neue Ortsamtsleiter Robert Bücking gab zu bedenken: „Das Steineschmeißen kann man nur verhindern, wenn man der Feier ein positives Ziel gibt, wenn die Leute Lust zum Feiern haben. Aber das müssen Sie doch verstehen: Wenn man sowas im Polizeipräsidium formuliert, wenn das unter dem Stichwort Deeskalationskonzept der Polizei läuft, dann kann man es gleich vergessen. Ich werde mir Mühe geben, daß was Vernünftiges stattfindet. Versprechen kann ich gar nichts.“

Da hätte das Treffen eigentlich enden können, aber es waren sitzungserprobte Menschen beisammen, und irgendwer könnte ja noch einen Funken produzieren. Ob man nicht eine Glühweinbude auf der Kreuzung einrichten könne, fragte Viertelkaufmann Norbert Caesar: „Ein Platz, der von den Eingeborenen bewirtschaftet wird.“ Die Ausrüstung sei kein Problem, nur wer wolle sich in der Nacht schon freiwillig hinter den Tresen stellen? CDU-Beirat Werner Steinberg: „Ich war schon in den letzten Jahren auf der Kreuzung. Wenn ich das meiner Frau schon wieder vorschlage, fragt die mich, ob ich noch ganz richtig im Kopf bin.“ Und überhaupt: „Ganz falsch“, warf Bernd Scheda vom Lagerhaus ein. „Man sollte an diesem zentralen Ort nicht noch ein zusätzliches Angebot machen. Das bekommt niemand mehr in den Griff.“

„Wir sind auf die Einnahmen aus einer Fete dringend angewiesen“, sagte Karl-Heinz Kunde vom Sielwallhaus, „im letzten Jahr ist uns das Fest aber aus den Händen geglitten. Irgendwann haben wir das Haus dichtmachen müssen.“

Reichlich deprimierende Nachrichten also, wenn da nicht die Idee von der Glühweinbude in den Köpfen weitergenagt hätte. „Wie wäre es denn“, fragte der SPD-Politiker Weisenbach, „wenn die Polizei und das Sielwallhaus gemeinsam Punsch ausschenken würden?“ Großes Gelächter und der Zündfunke für ein wahres Feuerwerk. „Da bin ich dabei“, war die spontane Reaktion von Rolf Reckert, immerhin stellvertretender Leiter der Schutzpolizei. Karl-Heinz Kunde vom Sielwallhaus wußte nicht so richtig, wie ihm geschah. Plötzlich richteten sich alle Augen erwartungsvoll auf ihn. Einerseits fand er es ziemlich prima, andererseits aber: „Ich muß das natürlich zuerst absprechen.“ Reichlich Unterstützung von Robert Bücking: „Die Spannungen vor so einem Datum schaukeln sich hoch. Und am Ende funktioniert das nach dem Muster selffulfilling prophecy. Die schärfste Waffe dagegen ist der Humor.“ Sollte heißen: „Ich bin dabei, notfalls mit Bürgermeisterkette.“

Blieb noch die Frage nach dem Alkohol. Da wollte sich der Reformhaus-Multi Zorn nicht lumpen lassen: „Ich stifte ein paar Kisten Holunderbeersaft.“ Für Punsch. Und wieso sollte man die Getränke umsonst ausschenken? Vorschlag: Der Becher 'ne Mark. Und wer soll das Geld kriegen? Vorschlag: Das Sielwallhaus. „Genau“, rief da Robert Bücking „für die Reparatur der Türen, die die Polizei am 2. Oktober eingetreten hat.“ Noch größeres Gelächter, glühende Gesichter. Polizeipräsident Lüken: „Ich betrachte das nicht als Blödsinn.“

Gestern mittag dann die nüchternere Version des Plans. Eine Sponsoring-Aktion der Polizei für das Sielwallhaus konnte sich Polizeipräsident Lüken dann doch nicht mehr vorstellen. Wohl aber, daß Polizisten neben den Sielwallhaus-Stand ihren eigenen Punsch-Ausschank betreiben und den Erlös für einen „gemeinnützigen Zweck“ spenden. Die Vorbereitungen laufen. J.G. / Ase