Naturmythos, dekonstruiert

Die Frauenförderung an der HdK wird stark beschnitten – „Intervall '94“ zeigt die Ergebnisse der Stipendien des letzten Jahres: spielerische und ironische Arbeiten in allen Medien  ■ Von Gudrun Holz

„Die Tafelmalerei als künstlerisches Ausdrucksmittel ist überholt“ – mit ironischem Gestus greift die Künstlerin Hannah Lentz in den ästhetischen Fundus kunstgeschichtlicher Symbolik. Auf zwei großformatige Leinwände verteilt: stilisierte Rosenknospen aus dem Zitatenschatz barock-floraler Motive – darüber in schlichter Typografie montiert der bekannte Zigarretten-Slogan: „come to where the flavor is.“ Wie hinter Schaufensterglas gehängt, ist das Ganze eine spielerische Assemblage auf den schönen Schein werbeästhetischer Prägung.

Natascha Kaßner liefert zwei häßlich-hämische Pappfiguren: „Gerät zur Belichtung gesellschaftlichen Materials“ (weiblich) und „zur Transformation akustischer Masse in ein binäres System“ (männlich). Zwei bösartige Modelle zur Definition eines gesellschaftlichen Gegensatzpaars: Der Evafigur läuft eine Super-8-Filmrolle zum einen Loch, dem Mund herein, zum anderen, dem Mösenschacht, wieder heraus. Beim Gegenstück ist der Output via Genital ein morseähnlicher Printstreifen mit x- und y-Zeichen. Zwei Galionsfiguren der Reproduktion, verroht in den Folterkammern des medialen Zeitgeists.

Quer durch die Fachbereiche und die verschiedenen Medien laufen die Exponate der 4. Künstlerinnen-Ausstellung der Hochschule der Künste (HdK). Als frauenpolitisches Ergebnis des StudentInnen-Streiks 1989 unterstützt die „Kommission zur Vergabe der Frauenfördermittel“ seitdem mit Förderstipendien gezielt die künstlerische und wissenschaftliche Arbeit von einzelnen Künstlerinnen und Gruppenprojekten an der Hochschule. Diesmal sind an die 40 Künstlerinnen vertreten. Wie im letzten Jahr wurde ein gut lesbarer, hochwertiger Katalog erstellt.

„Im Überblick der letzten Ausstellungen läßt sich eine starke Professionalisierung der Arbeiten erkennen“, resümiert Hanne Loreck, die die Stipendiatinnen während der Förderung betreute sowie Ausstellung und Katalog konzipierte. Unter dem Titel „DeNaturalisierung“ thematisieren die Werke den modernen Begriff von „Natur“, ironisieren dessen ideologische Definitionsmacht oder bedienen sich naturwissenschaftlicher Verfahren.

Martina Scholz untersucht mittels Videoinstallation eine physikalische Versuchsanordnung und nutzt ein Wasser-Experiment als Abbildungsmedium. In ihrem multimedialen Werk „Sphärische Geometrie“ montierten die bildenden Künstlerinnen Hwang und Makishi sowie die Musikerin Lee eine Rauminstallation aus Metall- Lautsprechern, elektronisch manipulierten Celli und vasenförmigen Resonanzkörpern zu einem kinetischen Klangablauf.

Mit der bisherigen Förderung allerdings, die auch Studentinnen einschloß, wird es ab 1995 nach dem Willen des Senats für Wissenschaft und Forschung erst einmal vorbei sein: „Wir werden in einen unfreiwilligen Streit um Gelder mit den drei Ostberliner Kunsthochschulen gedrängt“, so Sigrid Hahn, die Frauenbeauftragte der HdK. In aller Deutlichkeit wird das die Umwandlung der Künstlerinnenförderung in berufungsfähige Professorinnen- und Mittelbau-Stellen bedeuten, um das geschmälerte Finanzvolumen überhaupt noch sinnvoll einsetzen zu können.

Die Förderkommission vermißt dabei von Senatsseite zu Recht die Kooperation in der strukturellen Planung der Frauenförderung. Es geht um schlichte Mittelkürzung, die Kommission und Frauenbeauftragte allerdings nicht kampflos hinnehmen: „Wir setzen die bisherige im Rahmen der Hochschule und darüber hinaus sehr erfolgreiche Arbeit auch unter diesen Bedingungen fort.“

In der Tat fanden die jährlichen Ausstellungen sowohl bei HdK- HonoratiorInnen als auch der StudentInnenschaft und dem öffentlichen Kunstpublikum entschiedenen Beifall. Bis 17. Dezember wird zum vorläufig letzten Mal die kontroverse Frage der „Frauenförderung“ souverän beantwortet: positiv, in Form künstlerischer Qualität und artistischer Differenz, die längst die bloße Zuschreibung „Frau“ hinter sich gelassen hat.

Intervall '94, bis 17.12., täglich von 11 bis 18 Uhr, in der Quergalerie der HdK, Hardenbergstraße 33, Charlottenburg.