■ In den USA gehört der Ruf nach Hinrichtung wieder zum Grundrepertoire vieler Politiker: Keine Reue, keine Gnade
„Warum töten wir Menschen, die Menschen getötet haben, um zu zeigen, daß das Töten von Menschen falsch ist?“ So lautet einer der Slogans von Gegnern der Todesstrafe in den USA. Eine kleine radikale Minderheit, gewissermaßen, die darauf beharrt, daß eine Hinrichtung nichts anderes darstellt als das, was durch sie bestraft werden soll: ein Akt vorsätzlicher Tötung, also Mord. Um sich mit solchen Argumenten Gehör zu verschaffen, braucht es eine gehörige Portion aufklärerischer Sturheit: Der Ruf nach dem Henker gehört längst wieder zum Grundrepertoire für Politiker, die gewählt werden wollen – und wehe, der Kandidat hat sich in der Vergangenheit etwa einer Begnadigung schuldig gemacht.
Die Zeitungen vermelden neue „Rekordzahlen“, weil demnächst drei, vier oder fünf Verurteilte am gleichen Tag exekutiert werden sollen. Nach dem Wahlsieg der Republikaner werden die Berufungs- und Revisionsmöglichkeiten für die Insassen der Todestrakte vermutlich noch weiter eingeschränkt.
Die Argumente für die Todesstrafe sind ebenso irrational wie langlebig: Abschreckung, sagen die einen, obwohl eine solche Wirkung empirisch nirgendwo nachgewiesen werden kann; Geld, sagen die nächsten und behaupten fälschlicherweise, eine Exekution sei billiger als eine lebenslange Freiheitsstrafe; Rache, sagen die anderen – und sind wenigstens ehrlich.
Nun scheint selbst manchen Kritikern das jetzt verkündete Todesurteil gegen den Abtreibungsgegner Paul Hill „irgendwie“ gerechtfertigt. Schließlich stand da einer vor Gericht, der in der makabren Anmaßung, „ungeborenes Leben“ zu schützen, zwei Menschen kaltblütig ermordet hatte – einen Abtreibungsarzt und dessen Leibwächter. Und Hill hatte auch danach frank und frei erklärt, er würde eine solche Tat wiederholen. Doch gilt auch hier: Die Ablehnung der Todesstrafe ist entweder grundsätzlich – oder sie ist keine.
So absurd es klingen mag: ausgerechnet Hill hat, wenn auch unbeabsichtigt, demonstriert, wie sich der Staat durch die Anwendung der Todesstrafe entlarvt. Denn in seinem Fall haben der Verurteilte und seine Richter mehr gemeinsam als den Akt des Tötens. Beide zeigen keine Reue; beide sind gewillt, die Tat zu wiederholen; und beide legitimieren ihre Morde mit der Abwehr eines vermeintlich größeren Übels. Andrea Böhm, Washington
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