Interview zum Tag der Menschenrechte
: „Subtile Vorurteile“

■ Olajide Akinyosoye, Vorsitzender der Afrikanischen Union Hamburg (AUH)

taz: Wie oft sind Sie im vorigen Jahr von der Polizei kontrolliert worden?

Olajide Akinyosoye: Nur einmal, auf der Autobahn.

Hat man Sie sonst übersehen?

Vielleicht bewege ich mich nicht an den Orten, wo besonders häufig kontrolliert wird, wie St. Georg und St. Pauli. Dort sollte sich ein Afrikaner möglichst nicht blicken lassen.

Als Sie vom Rücktritt von Senator Hackmann erfuhren und von den Übergriffen auf der Wache beim Hauptbahnhof: Hat Sie das überrascht?

Nein. Es kommen dauernd Beschwerden aus unserer Klientel über willkürliche Übergriffe von Polizisten. Manchmal werden Afrikaner einfach auf der Straße aus der Menge heraus aufgegriffen und nach ihren Papieren gefragt. Vor Jahren habe ich das selbst erlebt, als mich Polizisten in St. Pauli anriefen und „Halt, halt! Schmeiß nichts weg!“ riefen. Ich fragte sie, wovon sie reden. Daraufhin haben sie mich zusammengedrückt, auf die Davidwache gebracht und in den Keller gesperrt. Nachdem sie festgestellt hatten, daß ich Lehrbeauftragter an der Uni bin, haben sie mich freigelassen.

Waren Sie erleichtert, als Hackmann zurücktrat?

Ein Personenwechsel allein ändert nichts an den Zuständen. Die rassistischen Vorurteile innerhalb der Polizei haben mit der Person des Innensenators nichts zu tun. Es ist die Haltung gegenüber Andersdenkenden, Anders-aussehenden und Menschen aus anderen Kulturen, die bekämpft werden muß. Bei der Ausbildung von Polizisten müssen Werte aus anderen Kulturen mit einbezogen werden. Die Vorstellungen über Afrikaner reichen noch zurück ins Dritte Reich.

Spätestens seit der Wiedervereinigung sind rassistische Übergriffe häufiger geworden. Auch in Hamburg?

Natürlich, unübersehbar. So sind wir zum Beispiel Anfang des Jahres von Anti-Antifagruppen direkt bedroht worden. Am schlimmsten aber ist der Rassismus der bürgerlichen Intellektuellen mit ihren subtilen Vorurteilen, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind. Durch bestimmtes sprachliches Verhalten spürt man einfach, daß man ausgegrenzt wird.

Wie äußert sich das politisch?

Besonders im Rassismus in den Institutionen. Deutsche Organisationen kommen an Gelder, die uns versagt werden. Die AUH trifft in der Sozialbehörde, von der wir Finanzhilfe bräuchten, auf hinhaltenden Widerstand. Das erschwert uns die Arbeit sehr. Nicht nur dort werden unsere Rechte unter den Tisch gekehrt.

Die AUH versteht sich als Sprachrohr der AfrikanerInnen in Hamburg. Hören die Politiker Ihnen denn zu?

Wenn wir sie einladen, glänzen sie durch Abwesenheit. Meistens haben sie kein Interesse.

Wer sind denn die AfrikanerInnen in Hamburg überhaupt?

Unser Klientel sind hauptsächlich Studierende und Leute, die hier gestrandet sind, weil die wirtschaftliche Situation in Afrika so schlecht ist, daß sie nicht mehr zurück können. Hinzu kommen Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen. Wir weigern uns allerdings, die Afrikaner auseinanderzudividieren in geduldete Südafrikaner, Wirtschaftsflüchtlinge aus Westafrika usw..

Wie würden Sie sich selbst bezeichnen?

Ein Drittel meines Lebens habe ich in Deutschland verbracht. So sehe ich mich als Deutsch-Afrikaner.

Dieses Land gibt vor, seinen BewohnerInnen die Menschenrechte zu garantieren, darunter die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht, den Wohnsitz frei zu wählen. Gilt das auch für Sie?

Nein. Auf dem freien Wohnungsmarkt haben Afrikaner kaum Chancen. Selbst bei den Sozialwohnungen wird eine Politik betrieben, die Afrikaner benachteiligt. Das führt dazu, daß viele Afrikaner im Ghetto wohnen.

Am schlimmsten aber sind die aufenthaltsrechtlichen Auflagen. All diese Sonderrechte, die zwischen Deutschen und Ausländern unterscheiden, gehören abgeschafft, bevor Ausländer die vollen Menschenrechte genießen. Dazu zählt auch das Wahlrecht, damit wir über soziale Rechte und lokale Belange mit entscheiden können.

Haben Sie Ihre Hautfarbe schon mal verflucht?

Nein.

Und die weiße?

Auch nicht. Ich achte zwar auf Farben, aber benutze sie nicht, um Menschen auszugrenzen.

Fragen: Fritz Gleiß