Schenken ist Chefsache

■ Eine letzte Bastion widersetzt sich der Rationalisierung: Geschenk und Geheimnis liegen auch in der Geschäftswelt dicht beeinander / Was Bremer Firmen verschenken

„Weihnachtsgeschenke? Sagen Sie nicht Geschenke – Firmen haben nichts zu verschenken.“ Mit solchen Sätzen stellt Heinz Hagenbäumer die Welt einfacher Menschen auf den Kopf. Weil die doch täglich eines besseren belehrt werden – mittels Kugelschreiber, Regenschirm oder Kalender. Andererseits, Herr Hagenbäumer, Eigentümer einer bremischen „Werbemittel-Gesellschaft“ ist ein alter Hase in der Branche. Er muß es ja wissen. Sein Unternehmen brummt. Werbeträger. „Dezember – Hochsaison“. Natürlich, der Weihnachtsmann kommt auch in der Geschäftswelt. Das, wie gesagt, glaubt jeder einfache Mensch.

Wer allerdings bei großen bremischen Betrieben nach den Weihnachtsgaben für Geschäftspartner fragt, bei Eduscho, bei Kellogg's, bei Mercedes, erhält eher ausweichende Antworten. Dort bildet Diskretion einen Wall, der trotz Nomenklatura, „Werbeträger“ statt Geschenk, kaum zu überwinden ist. Die Frage, „Wie halten Sie's?“ weckt Argwohn, als wären Geschenk und Schmiergeld Zwillingsschwestern. Folglich werden gleich ganze Abteilungen wie „Kommunikation“ oder „Marketing“ strategisch unterschlagen: „Schenken ist Chefsache“ tönt es laut. Und leise eröffnen sich Abgründe von Ineffizienz und Geheimniskrämerei.

Mindestens 100 Personen bis zum Verkäufer verschenken beispielsweise bei Mercedes „auf dem kürzesten Weg“ – individuell und persönlich. Was, will niemand genau wissen. Nur, daß sie im Zweifelsfall auf die Angebote der Stuttgarter Zentrale zurückgreifen. „Da gibt's bis zum Rasierapparat mit Stern alles“.

Auch die Sparkasse, die ansonsten mit spitzem Bleistift rechnet, liebt's individuell: Alle sechs Vorstandsmitglieder entscheiden in Punkto Geschenke persönlich. „Es gibt kein einheitliches Weihnachtskonzept, seit der Kalender vor 18 Jahren aufgegeben wurde“, heißt es aus dem Haus am Brill. Dort wandert von der CD über den Wein oder ein gesponsertes Buch alles in den Geschenkesack. Und der beutelt manchmal ganz schön – weshalb mancher Mitarbeiter neidisch auf die klare Präsente-Linie der Bremer Landesbank schaut. Die verlegt nach dem Motto „jeder Kunde ist uns gleich lieb“ seit 1965 ein Buch mit Themen aus der Region – und basta.

Aus der Region bedient sich auch die Bremer Lagerhaus Gesellschaft: Kalender und Bremer Klaben sind im Weihnachtsangebot. Für exquisite Fälle gibt's ein Fläschchen Bordeaux. Immerhin organisiert die BLG den Einkauf zentral. Man gibt sich sachlich, von Geschenkekultur will man wenig wissen: „Wenn Sie hinter die Kulissen schauen, ist alles trist“ – weil käuflich.

Noch dazu ist betriebliche Schenkerei umstritten: Im Sommer erschreckte die SPD-Bundestagsabgeordnete Ingrid Matthäus-Maier die Szene: 75 Werbemark pro Kundin, noch dazu steuerlich absetzbar, sei zuviel. Mindestens müsse bei solchen Beträgen der Name der Beschenkten angegeben werden, schlug sie vor. „Da ist Gottseidank nichts draus geworden“, meint der Branchenhase Hagenbäumer und lacht: „Nein, die SPD gehört nicht zu meinen Kunden.“

Tatsache: Bürgermeister Wedemeier liebt es schlicht: Ein Kärtchen und die Sache ist erledigt. „Geschenke kommen außerdem immer weniger“, bestätigt Pressesprecher Hermann Pape. Wie beim DGB regiert Tarif statt Emotion. „Wir haben unser Weihnachtsgeld“. Solche Effektivität und Sachlichkeit übertrifft die Haltung vieler Wirtschaftsunternehmen.

Selbst Jacobs-Kraft-Suchard kann da nicht mithalten: Dort gibt's Spenden statt Geschenke, das steht auf den Grußkarten. „Und bei den Kunden kommt das gut an“. Dieses Jahr ist das Geld für Kinder in Riga bestimmt, wieviel allerdings, bleibt geheim. Trotzdem, das Unternehmen beweist Mut zum Ungewöhnlichen – eher die Ausnahme im Weihnachtsrummel, bestätigt Hagenbäumer. „Denn viele wollen die Werbelinie nicht umstellen, weil der Kunde dann nichts mehr von ihnen, vom Mitbewerber aber weiterhin Geschenke bekommt.“ Da werden Multis im Gebaren mini – und das wider besseres Wissen: „Man muß doch ungeheuer viel Herzblut reinstecken, damit der Artikel neben all den anderen zu Weihnachten überhaupt auffällt.“

Eva Rhode