Aufgerissene Geschenkverpackung

■ Das Kronos-Quartett im Schlachthof: zwischen Anspruch und Erschöpfung

Die Geiger David Harrington und John Sherba, der Bratscher Hank Dutt und die Cellistin Joan Jeannerenaud aus San Francisco waren ja lange Jahre ein Geheimtip in doppelter Hinsicht: kompromißlose Qualität als Ergebnis wochenlangen gemeinsamen Übens und die Grenzüberschreitungen ihrer Programme, wie sie in Europa gar nicht möglich wären. Beides zusammen sicherte dem „Kronos-Quartett“ seit fünfzehn Jahren höchste Gagen und ein stets begeistertes Publikum ausverkaufter Häuser, und dies in der Gattung, die musikgeschichtlich die schwierigste, die subtilste, in den Augen und Ohren mancher auch die elitärste ist.

Fünf Jahre waren sie nicht in Bremen: Grund für die Schlachthofveranstalter, sich in großes finanzielles Risiko zu stürzen. Jürgen Schmitz machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, für ein solches Konzert keinen maßgeblichen Sponsor gefunden zu haben. Nun: der Schlachthof war nahezu ausverkauft, das Publikum weiß Bescheid, weiß, was es von „Kronos“ zu erwarten hat. Diese Erwartungen wurden erfüllt. Trotzdem konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich nach zwanzig Jahren Zusammengehörigkeit Erschöpfung und Müdigkeit breit gemacht hat, die sich bei aller Qualität auch auf die Spannung auswirkte. Die ausgetüftelten Lichteffekte und elektrischen Tonverstärkungen wirkten nur noch als beziehungslose Verpackung.

Das Programm mit seinem Schwerpunkt moderner amerikanischer New Age-Musik, setzte zu wenig auf kompositorische Qualität und Kontraste: die schnulzige, rotlichtgetränkte Musik von Raymond Scott zum Beispiel, das minimalistische Ödland von John Adams waren dafür Beispiele. Bei John Oswald sind szenische Elemente bestimmend, Elemente der Beziehungen der MusikerInnen untereinander, die viel mehr kabarettistisches Können erfordert hätten. Hübsch war das Stück des Mohikaners Brent Michael Davis, der indianische Instrumente miteinbezieht und in seinem „Jahreszeiten“-Stück eine klangreiche naturalistische Komponente erarbeitet.

„Mugam Sayagi“, das Streichquartett der aserbaidschanischen Komponistin Frangis Ali-Sade, überzeugte musikalisch am meisten: die Cellistin sitzt allein da und zu ihren fast unhörbaren Pianotönen – wunderbar gespielt – kommen allmählich die anderen, um sich nach einer vitalen, gemeinsamen Steigerung wieder zurückzuziehen: eine meisterhafte und eindrucksvolle Synthese aserbaidschanischer Klang- und Motivelemente mit solchen europäischer Avantgardemusik. Als Zugabe ein vom Streichquartett kommentierter Elvis Presley: da waren die MusikerInnen und das Publikum in ihrem Element, und der Beifall wollte kaum ein Ende nehmen.

Ute Schalz-Laurenze