„Zeichen für den Verfall der FDP-Moral“

■ Ralph Lange, Chef der Jungen Liberalen, zum am Sonntag beginnenden FDP-Sonderparteitag in Gera und dem Beschluß zur Trennung von Amt und Mandat

taz: Die Jungen Liberalen haben auf dem letzten FDP-Parteitag in Rostock erfolgreich für einen Beschluß gekämpft, wonach Regierungsamt und Bundestagsmandat nicht vereinbar sind. Aber alle FDP-Minister sitzen nun auch im Bundestag. Wird der Sonderparteitag von Gera am Wochenende daran etwas ändern?

Ralph Lange: Beschlüsse, an die sich niemand hält, sind ein Zeichen für den Verfall der Moral innerhalb der FDP. In Gera muß ein selbstbewußter Parteitag der Parteispitze klarmachen, daß sie damit nicht durchkommt. Es wäre durchaus möglich, ein ruhendes Mandat einzuführen und auf eine Grundgesetzänderung zu drängen.

Beeindruckte Sie die inzwischen relativierte Ankündigung Kinkels, er werde alle Ämter niederlegen, falls der Beschluß nicht fällt?

Wir lassen uns von Kinkel nicht erpressen. Die Eskalation, die er betrieben hat, war nicht geschickt. Wir wollen in Gera klarmachen, daß er so mit Parteitagsbeschlüssen nicht umgehen kann. Das kann ein heilsamer Prozeß sowohl für die Bundestagsfraktion als auch für den Vorsitzenden sein.

Lenkt die Diskussion um Amt und Mandat nicht ab von wichtigeren Aufgaben in Gera?

FDP-Bundestagsfraktion und Parteiführung haben den Beschluß bislang mißachtet, ohne nur den Versuch zu machen, ihn im Parlament umzusetzen. Wir wünschen uns im Bundestag eine FDP, die zu ihren Grundsätzen steht, für ihre Ideale kämpft und dafür auch einmal eine Niederlage hinnimmt. Wenn die Fraktion das schon bei Randthemen wie Trennung von Amt und Mandat nicht schafft – wie soll sie es dann bei Grundsatzthemen wie Bürgerrechten, Marktwirtschaft oder Umbau des Sozialstaats schaffen?

Gehört zur liberalen Erneuerung auch ein neuer Parteichef?

Die Aufgabe, die Partei zu erneuern, ist so schwierig, das kann nicht jemand leisten, der seine Arbeitskraft auch als Minister benötigt. Die Rettung der FDP verlangt vollen Einsatz. Kinkel soll sich bis zum nächsten ordentlichen Parteitag im Juni entscheiden, ob er Außenminister oder Parteivorsitzender bleiben will. Ich denke, er ist ein guter Außenminister.

Wen hat die FDP sonst zu bieten?

Die These, daß es keine personellen Alternativen und keine starken Leute in der FDP gäbe, gilt nicht mehr. Seit dem nordrhein- wetfälischen Parteitag, wo mit Schultz-Tornau ein bundesweit kaum bekannter Politiker Erfolg hatte, kann man jetzt auf Leute aus der zweiten Reihe der FDP zählen.

Welche Botschaft muß denn von Gera ausgehen?

Daß die FDP keine Klientelpartei ist, sondern sich an Menschen mit liberaler Geisteshaltung und tolerantem Lebensgefühl wendet, daß wir wegkommen von dem bei unseren Funktionsträgern verbreiteten Gedanken, daß die FDP nur Maklern, Rechtsanwälten, Zahnärzten und Unternehmern nach dem Mund reden müßte, damit das mit den Prozenten hinhaut. Die Liberalismusdebatte, die wir in Gera anstoßen wollen, muß einige wenige eindeutige und auch glaubwürdig vertretene Botschaften erbringen, die in der Regierungsarbeit der FDP dann wiederzuerkennen sind. Wir erhoffen uns ein deutliches Signal, daß der von Herrn von Stahl und anderen intendierte Rechtsruck der Liberalen keine Chance hat. Interview: Hans Monath