KGB mit Gottes Hilfe?

■ Der Kulturchef des britischen „Guardian“ soll für die Sowjetunion spioniert haben

Dublin (taz) – Sein altes Einfamilienhaus in London ist vollgestopft mit politischen Plakaten, Gemälden und Andenken von seinen vielen Reisen rund um den Globus. Im Arbeitszimmer im Erdgeschoß stapeln sich Bücher vom Fußboden bis zur Decke. Auf zwei Regalen stehen kleine, schwarz gebundene Bücher: Richard Gotts Reisetagebücher, die der 56jährige englische Journalist seit mehr als 30 Jahren führt. Darunter befinden sich wohl auch seine Aufzeichnungen von einer Reise nach Wien, Athen und Nikosia in den achtziger Jahren. Dieser Trip ist ihm jetzt zum Verhängnis geworden: Die konservative britische Zeitschrift Spectator hat gestern enthüllt, daß der sowjetische Geheimdienst KGB damals die Reisekosten übernommen hatte, weil Gott unterwegs mit einem Sowjetagenten zusammentreffen sollte. Der britische Geheimdienst weiß das freilich schon seit zehn Jahren.

Gott trat jetzt von seinem Posten als Literaturredakteur des Guardian zurück. In seinem Kündigungsschreiben räumt er ein, daß er seit den sechziger Jahren Kontakt zum KGB hatte, als Spion jedoch völlig nutzlos war. Abgesehen von der Reise habe er weder Geld noch Geschenke angenommen, sagt Gott, der sich als „unverbesserlichen Linken“ beschreibt. „Es war schuldhafte Dummheit“, sagt Gott über die Reise, „aber es schien damals mehr wie ein erfreulicher Witz.“

Gott ist eine schillernde Figur im britischen Journalismus. 1966 kandidierte er erfoglos für das Unterhaus als Mitglied der „Radical Alliance“, einer Antivietnamkriegsgruppe. Berühmt wurde er 1967, als er in Bolivien Che Guevaras Leiche fand. 1972 wurde er Lateinamerika-Korrespondent des Guardian und verfaßte mehrere Bücher, später arbeitete er eine Weile bei einer Zeitung in Tansania. über diese Zeit schreibt Gott: „Ich stand immer auf der Seite der Guevaristen in Lateinamerika und der Maoisten in Afrika.“ Ralf Sotscheck