Ein Schaufenster zur Kunst

Die Zahl der Jäger und Sammler unter den Künstlern nimmt wohl nicht ganz zufällig merklich zu: Je mehr die Bilder allseits fluten, über immer mehr Kanäle, desto weniger gibt es das Bedürfnis, dem multimedialen Irrsinn noch weitere, neue Bilder zuzufügen. Sondern das vorhandene Material, das reichliche, zu sichten und gewichten. Der aus Berlin stammende Hermann Pitz ist so ein Besessener. In ausgedienten Aquarien, in Vitrinen und hinter Glaswänden stellt er sein Sammelwerk aus; seit diesem Wochenende in der Bremer GAK (Gesellschaft für aktuelle Kunst). Die Objekte seiner Leidenschaft: Kisten, Kästen, Pinsel – die Gegenstände seines alten Berliner Ateliers, mit dem Künstler sozusagen als imaginärem Gravitationszentrum des ganzen Unternehmens. Ein eitles Unternehmen, wären nicht deutliche Brechungen in diese Künstlernabelschau eingebaut. Als Mittel der Distanzierung hat Pitz schlau seine Glaswände zwischen Betrachter und Künstlersammelsurium aufgestellt. So soll sich ein Diorama-Effekt einstellen: Das Fenster als Projektionsfläche; als Bildebene, in der das plastische Sammelgut quasi eingerahmt und in die Fläche geklappt wird. Soweit die hübsche Theorie. In der Praxis aber klappt hier gar nichts. Das Diorama, diese schöne Guckkasten-Präsentation des 19. Jahrhunderts, dient schließlich von altersher der Verlebendigung toter Elche, Eskimos, Landschaftsbilder etc., der Illusion von Raum und Bewegung. So werden hier nicht die Künstler-Memorabilia zum Bild, im Gegenteil: Die Bilder- bzw. Fensterrahmen, frei in den weiten Raum gepflanzt, beginnen ein Eigenleben als autonome Objekte zu führen. Und da ist Pitzens Sammelschau am schönsten: Wo die hölzernen Tragbalken, die der Künstler andernorts für seine Bilderfenster brauchte und selbstverständlich gut aufgehoben hat, nunmehr als weiteres Sammelstück an der Wand hängen, zu Kunst geworden sind, und sich – bar ihres ursprünglichen Nutzens oder irgendwelchen didaktischen Reflexionszwecks – als inhaltsleere, reine, wunderschöne Form sich frei entfalten können. Thomas Wolff/Foto: Tristan Vankann