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■ Holländische Tomatenbauern kontra HanfzüchterNachts kommen die Lampendiebe

Amsterdam (taz) – Aus der Luft sieht das Land aus wie ein einziges Flutlichtstadion. Holland leuchtet, denn in den zahllosen Tomaten- und Gemüsetreibhäusern dürfen die Pflanzen niemals schlafen. Allerdings gehen nach und nach die Lichter aus, nicht nur, weil immer mehr Deutsche die orale Aufnahme der „in roter Schale verpackten Energie“ (NRC Handelsblad) verweigern. Einheimische aus einer eher lichtscheuen Branche bemächtigen sich immer häufiger der prächtigen Lampen – weil sie ihrerseits einer Pflanze genügend Licht verabreichen müssen: dem Nederwiet, in Holland angebautem Cannabis.

Im Laden kosten die Wachstumsstrahler 500 Gulden (450 Mark). Zuviel für den kleinen Haschischbauern. Allein im November meldete die Versicherung „Hagelunie“ 21 Einbrüche in Gewächshäuser mit einem Schaden von fünf Millionen Gulden (4,5 Mill. DM). Die Versicherung rät den Bauern jetzt, sich zu wehren.

Kontakte zwischen Hanfzüchtern und Tomatenbauern gibt es längst. Erstere versuchen zielgerichtet finanziell in Not geratene Gemüsebauern zu überreden, in den Glashäusern gegen Miete auch „Gras“ anzubauen. Der Limburger Land- und Glashausverband appellierte kürzlich mit Nachdruck an seine Mitglieder, auch bei Geldproblemen kein Nederwiet zu züchten.

Die Nederwiet-Züchter brauchen die Lampen besonders dringend, weil sie oft in dunklen,abgeschlossenen Kellern oder Dachböden die Pflanzen züchten. Allein 1993 beschlagnahmte die Polizei 237 Lampen, aber jede Beschlagnahme zieht noch mehr Einbrüche nach sich. „1991 nahmen wir an, es handelt sich nur um einen Zwischenfall“, beklagte sich ein Hagelunie-Sprecher, „im Vorjahr dachten wir dann, na, das wird ja immer schlimmer, und jetzt haben wir verstanden, daß wir was dagegen tun müssen – so geht das nicht weiter.“ Hagelunie ist spezialisiert auf das Versichern von Gewächshäusern. Die Versicherung dringt nun darauf, daß etwa an den Gewächshäusern Alarmanlagen angebracht werden oder die Herausnahme einer Lampe einen Alarm auslöst. Aber die Diebe würden besonders professionell vorgehen. Ein erster, meist kleinerer Einbruch diene der Sondierung, bei mehr als 70 Prozent der Einbruchshäuser folge innerhalb eines Jahres ein neuer, weitaus größerer Einbruch. Allerdings haben die holländischen Tomatenbauern ein großes Problem, es mangelt ihnen wegen des in den letzten zwei Jahren geradezu dramatisch eingebrochenen Absatzes in Deutschland an Geld. Dennoch glaubt die Versicherung, daß bei Umbauten 90 Prozent der Bauern Alarmanlagen einbauen werden. Falk Madeja

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