Der FDP-Vorsitzende hält an sich selbst fest

■ Sonderparteitag der Liberalen in Gera

Gera (taz) – Noch nach der Bundestagswahl war der FDP- Vorsitzende Klaus Kinkel der Ansicht, so einen Parteitag „kann man immer machen“. Bis zu seiner gestrigen Rede auf dem Sonderparteitag hatte sich beim Vorsitzenden immerhin die Erkenntnis durchgesetzt, daß dieser Parteitag „ganz zweifellos der wichtigste“ sei. Denn es entscheide sich, „welchen Weg die FDP in eine hoffentlich gute Zukunft geht“. Mit dieser Einschätzung lag der Vorsitzende zweifellos näher bei den Delegierten. Diese trieb die Sorge um, daß es bald keine Zukunft für die Liberalen mehr geben könnte. Neun verlorene Wahlen im vergangenen Jahr, da versagte selbst bei Kinkel das Vertrauen in die Fähigkeit der FDP, „sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen“. Man habe „in der Sache große Fehler gemacht“, „zuviel Kraft in die Regierungsarbeit investiert“ und „zuviel Kompromisse gemacht“. Genau davor war Kinkel bereits nach der Wahl vom 16. Oktober und vor den Koalitionsverhandlungen gewarnt worden – anscheinend ohne Konsequenzen. Sein gestriger Hinweis, die FDP sei mehr als nur Regierungspartei, wurde von großen Teilen der 662 Delegierten mit Gelächter quittiert.

Während seiner über einstündigen Rede geriet Kinkel die Auseinandersetzung mit den Fehlern der Vergangenheit kurz. Er wollte Orientierung geben. Die nächsten Wahlkämpfe in Hessen und Nordrhein-Westfalen stünden an, dort müsse die FDP „Flagge zeigen“. Welche, da wurde der Vorsitzende diffus. Er werde „die politische Mitte niemals preisgeben“ zugunsten eines diffusen Standortes im rechten oder linken Spektrum. Und noch eines wollte er nicht preisgeben. Die vom Rostocker Parteitag beschlossene Trennung von Amt und Mandat, so befand er kategorisch, „ist derzeit nicht durchsetzbar“. Kinkel plädierte dafür, „eine einheitliche Regelung für alle politischen Parteien zu finden“. Das Plädoyer rief bei den Delegierten ein zweites Mal Gelächter hervor. Dieter Rulff