Dokumentation
: „Es reicht“

■ Kolumne von Ismet Imset

„Jemand hat mit der Faust auf den Tisch geschlagen und gesagt ,Es reicht‘. So einfach ist das“, sagte mir ein unabhängiger Beobachter in Istanbul. Jeder weiß, daß keine illegale Organisation in der Lage war, die Bombenanschläge auf Özgür Ülke zu verüben. Deshalb müssen wir uns fragen, wer die Faust auf den Tisch geschlagen hat und warum gerade jetzt. Die Bombenanschläge waren selbst technisch perfekter und planvoller als der Anschlag auf die Parteizentrale der „Partei der Demokratie“ (DEP). Offenkundig ist, daß man wegen der Reaktionen aus der Türkei und dem Ausland Zeit gewinnen wollte und die Wochenendfeiertage eingeplant hat. Zuerst wird das Gebäude in Kumkapi, wo die Zeitung vorbereitet wird, in die Luft gejagt. Ein Toter, mindestens zwanzig Verletzte. Dann folgt die Bombe im Büro im Istanbuler Stadtteil Cagaloglu. Und dann das Büro in Ankara, was vierhundert Kilometer weit entfernt ist.

Wer auch immer seine Faust auf den Tisch geschlagen und „Es reicht“ gerufen hat, ist an der Spitze einer organisierten Institution, die über einen guten Nachrichtendienst und über professionelle Teams verfügt, die die Bombenanschläge durchführen können.

Auf Anhieb erinnerte ich mich an das Journalisten-Briefing im Generalstab am 3. Dezember 1990 mit dem Leiter des „Amtes für Operation“, Dogan Beyazit, und dem Leiter des „Amtes für besondere Kriegsführung“, General Kemal Yilmaz. Sie zeigten uns während des Briefings eine schematische Darstellung. Oben ist ein Kasten, der das „Amt für besondere Kriegsführung“ symbolisiert. Wie die Arme eines Polypen gehen Pfeile von dort ab. Es war so, als ob der Knoten der „unaufgeklärten Morde“, der Todesschwadronen, auf zwei Pfeilen in diesem Schema ruht. Fast unten in der Grafik finden sich die „nachrichtendienstlichen Zellen“ und die „zuständigen Einheiten“, die der „Sondereinheit“ angegliedert sind. Von den „zuständigen Einheiten“ öffnen die Pfeile das Tor einer neuen Welt und der bitteren Wahrheit. Da gibt es den „Agenten für Sabotage“. Das Schema zeigt in den amtlichen Dokumenten die Prinzipien „irregulärer Kriegsführung“.

General Dogan Beyazit, der 1990 dieses Briefing gab, ist heute Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates. Der Offizier Beyazit ist ein Mann, der die Entlassung von Journalisten verfügt, der Zeitungsverleger anruft und warnt und der die Desinformationskampagnen der Türkei betreibt. Als ehemaliger Chef des „Amtes für besondere Operationen“ sind ihm die Tätigkeiten, die im Schema dargestellt sind, nicht fremd.

Die Zeitung Özgür Ülke geht in die Luft – einen Tag nachdem auf der ersten Seite über die Tätigkeiten Dogan Beyazits berichtet wurde. Einige, die die Zukunft fürchten, senden ihre Botschaft an die kurdische Bewegung mit den Bomben auf Özgür Ülke. Die Bombe fällt in die Zeit vor dem KSZE-Gipfel, vor der Verurteilung der Abgeordneten der „Partei der Demokratie“ und in die Zeit, wo der PKK-Chef Öcalan an einer Friedensinitiative arbeitet.

Mit diesem Anschlag wird nicht nur der kurdischen Öffentlichkeit in der Türkei der Krieg erklärt, sondern auch der Öffentlichkeit in Europa und den USA. Der Anschlag ist eine Botschaft weit über Özgür Ülke hinaus an alle Friedensbemühungen und an alle Initiativen im Ausland, die an einer Lösung des Kurdenkonfliktes arbeiten. Übersetzung: Ömer Erzeren

Diese Kolumne erschien am 4. Dezember in der „Özgür Ülke“. Sie war der Grund für die Beschlagnahmung der Zeitung an diesem Tag.