Abschiebungen gestoppt

■ Bundesregierung erläßt vorläufigen Abschiebestopp für Kurden bis 20.1.1995

Bonn (dpa) – In Deutschland lebende Kurden sollen vorerst bis zum 20. Januar nicht mehr in die Türkei abgeschoben werden. Die Bundesregierung, so sagte Regierungssprecher Dieter Vogel gestern, habe Verständnis dafür, wenn die Ausländerbehörden kurdische Flüchtlinge vorerst nicht mehr abschöben. Bonn reagierte damit auf wachsende Proteste gegen Abschiebungen nach den drakonischen Urteilen gegen kurdische Abgeordnete des türkischen Parlaments in der vergangenen Woche. Die Regierung werde die Urteile überprüfen und bei den für den 19. Dezember angesetzten Gesprächen der EU mit der Türkei über die Zollunion die durch sie entstandene Lage erörtern. Zu diesem Zweck stimme Innenminister Manfred Kanther (CDU) einem Aufschub der Abschiebungen bis zum 20.1. zu. Noch letzte Woche hatte Kanther Forderungen nach einem weiteren Abschiebestopp für Kurden abgelehnt.

Die bündnisgrüne Abgeordnete Angelika Beer sprach nach der Rückkehr von einer Reise in die kurdische Region Dersim/Tunceli von einer „Strategie der Völkervernichtung“ der Türken gegen die Kurden. Ihre Delegation habe zahlreiche Hinweise auf Unterdrückung und Vertreibung erhalten. Die Grünen forderten daher ein Wirtschafts- und Waffenembargo gegen die Türkei.

Anfang 1995 will Schleswig- Holstein eine Abschiebestopp-Initiative zur Änderung des Ausländergesetzes im Bundesrat einbringen. Die Länder können derzeit einen Abschiebestopp längstens sechs Monate anordnen. Mit der Initiative soll Kanther gezwungen werden, längere Abschiebestopps zu genehmigen, wenn der Bundesrat dies mit zwei Dritteln seiner Stimmen verlangt.