Im Interview: Frank Montgomery
: „Problem Hierarchie“

■ Der neue Ärztekammerpräsident über Malaria-Skandal und Chefarzt-Prinzip

Führungswechsel: Am Montag abend wurde Frank-Ulrich Montgomery (42) zum Präsident der Hamburger Ärztekammer gewählt. Der Vorsitzende des Marburger Bundes löst damit Rolf Bialas ab. Der erhielt offenbar die Quittung für sein Stillhalten im Malaria-Skandal: Bialas hatte 1989 Anschuldigungen über Mißstände im Tropeninstitut nicht an die Gesundheitsbehörde gemeldet.

taz: Was steht auf Ihrer Prioritätenliste jetzt ganz oben?

Frank Montgomery: Die sachgerechte Aufklärung der Verstrickung der Ärztekammer in den Malaria-Skandal. Deshalb haben wir am Montag die Einsetzung eines Untersuchungsauschusses beschlossen, der sich damit befassen soll, ob die Instrumentarien der Kammer richtig angewendet worden sind oder nicht.

Was sind für Sie die drängenden Probleme der Hamburger Gesundheitspolitik?

Ein ganz gravierender Mangel ist das Investitionsdefizit in den Krankenhäusern. Die Hamburger Kliniken gehören bezüglich der sachlichen Ausstattung zum Schlußlicht in der europäischen Entwicklung. Das heißt jedoch nicht, daß hier nicht hervorragend gearbeitet wird, aber wir leiden unter der schlechten baulichen Substanz. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die falsch verlaufende Verselbständigung der staatlichen Krankenhäuser. Dort versucht man Aufsichtsrat und Geschäftsführung als arztfreie Zonen einzurichten. Für mich ist aber eine der wichtigsten Lehren aus dem Malaria-Skandal, daß mit ärztlichem Sachverstand in der Leitungsetage das Problem früher hätte erkannt werden können. Ein Jurist oder Wirtschaftler kann nun mal nicht beurteilen, was für die Behandlung von Malariakranken benötigt wird.

Nun konnten wir schon bei drei Medizinskandalen den Schulterschluß von Ärzten beobachten. Wie wollen Sie das angeschlagene Image der Ärzteschaft aufpolieren?

Bei den Vorfällen im Tropeninstitut bin ich noch nicht sicher, ob das am Ende ein Mediziner-Skandal oder einer der Gesundheitsbehörde sein wird. Problematisch finde ich zumindest, daß man das Münchener Gutachten ohne Gegenprüfung in die Öffentlichkeit getragen hat. Ich entdecke in dem Gutachten jedenfalls viele Widersprüche.

Kommen wir auf die Ärztekammer zurück. Da gab es ein Stillhalteabkommen, das nun erneut als Schweigemauer verstanden werden muß.

Mit Sicherheit ist es ein ganz fragwürdiges Verfahren, wenn ein Funktionsträger der Kammer beim Bekanntwerden eines Verdachts losgeht und Einzelgespräche mit den inkriminierten Personen führt. Das war sicher falsch. Den damaligen zweiten Schritt, die anzeigende und die angezeigte Abteilung – also das AK Altona und das Tropeninstitut – zusammenzubringen und in einer Konsensuskonferenz eine Lösung zu suchen, halte ich eigentlich für ein sehr gutes Konfliktlösungsmodell. In diesem Fall ist es leider gescheitert. Hier hätte die Kammer gleich mit dem maximalen Aufwand ermitteln müssen.

Wieviel Schuld hat die strenge Hierachie der Klinikärzte an den Skandalen?

Die Hierarchie unter Klinikärzten ist eines der Grundprobleme unseres Berufsalltags. Eigentlich gibt es nur drei Ebenen: Ärzte, die lernen, solche, die fertig ausgebildet sind und Ärzte, die zusätzlich eine administrative Funktion haben. In der Realität haben wir aber sieben oder acht Hierarchie-Ebenen. Dabei sind die oberen mit einer zu großen Machtfülle ausgestattet, auch über die Personen, die unter ihnen tätig sind. Das ist eins der Grundübel, denn die Medizin hat sich zunehmend zur Teamarbeit gewandelt.

Wie könnte man ein Teammodell verwirklichen?

Da gibt es viele Möglichkeiten. In den angelsächsischen Ländern wählen alle Fachärzte zum Beispiel gleichberechtigt denjenigen aus, der die Abteilung nach außen vertreten soll. Durchsetzen kann man ein Teammodell hier nur, indem man bei Neubesetzungen nicht Chefarztstellen ausschreibt, sondern mit den vorhanden Medizinern kollegiale Leitungsstrukturen entwickelt.

Und dafür wollen Sie sich stark machen?

Die Ärztekammern sind dabei schon immer treibende Kraft gewesen. Schon 1972 hat die Bundesärztekammer eine Abkehr vom traditionellen Chefarztmodell gefordert. Die fehlende Umsetzung ist mehr ein politisches Versagen der Krankenhausträger, die immer noch den starken Mann wollen.

Fragen: Sannah Koch