Bremen beißt zu

■ Laßt 1000 Bäckerblumen blühen! Bremer KarikaturistInnen formieren sich zur Agentur „Punkt, Komma, Strich“ gegen den kranken Blätterwald

Im neuen Jahr ist es so weit: Ab Januar bringt Bremen die ganze BRD zum Lachen. Dann nämlich startet „Punkt, Komma, Strich“ seine Großoffensive auf die Medienlandschaft.

Hinter den drei harmlosen Satzzeichen stehen die besten KarikaturistInnen Bremens: Harm Bengen, Buzz, Volker Ernsting, Mia Warwass, Heinz Fuchs, Til Mette, Günther Röder und Gerold Paulus haben sich unter der Leitung von Burkhard Schwab zu einer Agentur zusammengeschlossen. „Punkt, Komma, Strich“ wird zukünftig allein 80 Tageszeitungen mit wöchentlich 8 bis 12 Karikaturen und Cartoons zu aktuellen Themen beliefern. Selbst Fachzeitschriften sollen nicht länger von der spitzen Feder der NordländerInnen verschont bleiben: Die BremerInnen wollen juristische, hydraulische, medizinische Fachblätter mit ihrem Gegengift behandeln. Ein rühmlicher, weil sozialer Akt verbindet sich mit dem Ziel, Gewerkschaften und Bundesbahn einen gewissen Witz zu verleihen. Nichts soll unversucht bleiben, humorigen Humus in den trockenen Blätterwald zu tragen. Til Mette: „Alle reißen sich um die taz, die Süddeutsche, die FR und die ZEIT, um die Qualitätszeitungen also. Aber kein Schwein kümmert sich um die Bäckerblume.“

Karitative Karikaturen? Nicht nur, natürlich lockt auch ein lukratives Geschäft. „Meines Wissens nach ist das die erste Agentur für Karikaturen und Cartoons“, meint Burkhard Schwab. Jedenfalls, was das Archiv angeht, das gleichzeitig im Bremer Service enthalten ist. Alle KünstlerInnen stellen ihr bisheriges Lebenswerk zur Verfügung, mehr oder weniger geordnet. Eingeweihte werden schmunzeln, wenn sie hören, daß Til Mette, durch „Punkt, Komma, Strich“ auf Linie gebracht und geläutert, seit Wochen in seiner kleinen Zweitwohnung im großen New York einen Laptop bespricht, der seine krakelige Figuren in Stichworte und nüchtern bilanzierende Kästchen einfriert, um damit das Werk transparenter zu machen. Dabei stieß der Zeichner auf Hinterlassenschaften, die schon längst im eigenen Gedächtnis versunken waren, schlimmer: „Ich hab auch Sachen gefunden, an die ich am liebsten gar nicht mehr erinnert werden möchte.“

Doch dafür ist's zu spät, unerbittlich ist der Geist der Ordnung. „Die Indizierung macht natürlich noch einen Haufen Arbeit“, gesteht Agent Burkhard Schwab, doch sein Siegeswille ist ungebrochen. Dabei kann allein Heinz Fuchs auf etwa 90.000 Zeichnungen zurückblicken, die in den verschiedensten Medien erschienen sind. Kaum überschaubar ist auch das Werk von Buzz, der neben seiner ehemaligen Tätigkeit als Art-Director und Karikaturist der ZEIT für alle großen Zeitungen zeichnete. Allein gegen die „Welt“ legte sich der Bremer bis dato quer.

So wächst in der neuen Agentur zusammen, was irgendwie wohl schon zusammengehört, aber doch ganz unterschiedlich ausschaut. In der Agentur raufen sich die Vertreter diverser Stile zusammen. Buzz, der seinen Hang zum Absurden in seinen Cartoons auslebt und dabei die schlichte, plakative Zeichnung alter Schule pflegt. Ernsting, der seine Urbremer Knitterköppe in heftiger Schraffiertechnik ausmalt, mit reifer Liebe zum Detail. Und Mette, unser aller herzallerliebster Cartoon-Anarchist, der seine schrägen Ansichten des Alltagswahns in herzblutgetränkte, vor Erregung wohl zitternde Linien meißelt.

Konkurrenz befürchtet Agent Schwab nicht unter seinen ZulieferInnen. „Das sind alles augebuffte Profis. Die kennen den Markt und können damit auch umgehen.“ Überzeugender allerdings scheint das Argument, daß sie auch einen gemeinsamen Marktplatz haben, nämlich den Zeichnerstammtisch, an dem Freundschaften und Ideen geschmiedet werden. So wie eben die der Agentur, die leider ihren ursprünglich geplanten Namen „Mata Kari“ schon wieder abgelegt hat. „Wir haben einfach mit Spionage nichts zu tun“, versichert Burkhard Schwab. Wahrscheinlicher ist, daß man mit dem mondgesichtigen „Punkt, Komma, Strich“ Harmlosigkeit vortäuschen will, um dann noch unerbittlicher zuschlagen zu können.

Geschlossene Gesellschaft wollen die StammtischlerInnen nicht spielen. „Das soll keine Bremensie werden“, fordert Schwab Interessierte auf, gegen die Langeweile im Blätterwald mitzustreiten. Abgesehen von Comics, die den Rahmen sprengen würden, ist alles erwünscht, Illustrationen, Cartoons und Karikaturen. Darum folget dem Aufruf (Fon: 535124): Laßt tausend Bäckerblumen blühen! Dora Hartmann