Gläserne Patienten für die Krankenkassen

■ Vom 1. Januar an können Patientendaten elektronisch übermittelt werden / Kritik von Grünen und Datenschützern

Das Abrechnungsverfahren im Gesundheitswesen kann ab dem 1. Januar 1995 auf elektronische Datenverarbeitung umgestellt werden. Der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen, Bernd Köppl, warnt deshalb vor dem „gläsernen Patienten“. Für problematisch hält er vor allem, daß die Krankenhäuser künftig sämtliche Diagnose- und Behandlungsdaten patientenbezogen und maschinenlesbar an die Krankenkassen übermitteln. Bislang erhielten die Kassen diese Angaben zur Abrechnung auf dem Papier und gaben sie von Hand in ihre Computer ein. Eine Vereinbarung zwischen den Kassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft muß noch verabschiedet und mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten abgestimmt werden.

„Da wird man nachbessern müssen“, meint der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka, der die patientenbezogene Übermittlung der Krankenhausdaten ebenfalls kritisiert. Er will die ausstehende Vereinbarung sehr genau prüfen.

Bernd Köppl befürchtet, daß die Kassen in Verbindung mit der neu eingeführten Krankenversicherungskarte mit einem Knopfdruck Zugriff auf die Krankenhausdaten ihrer Versicherten haben. Die Plastikkarte, die ab dem 1. Januar den Krankenschein ersetzt, enthält neben dem Namen, dem Geburtsdatum und der Anschrift des Versicherten auch eine Krankenversichertennummer. „Die Nummer ist das Entscheidende. Mit der Nummer haben die Kassen den zentralen Zugriff auf die Versichertendaten“, erläutert der Gesundheitspolitiker.

Diese Befürchtung weist der EDV-Experte des AOK-Bundesverbandes zurück: „Einen umfassenden Überblick über die Daten eines Versicherten kann sich niemand verschaffen.“ Dies sei technisch nicht möglich. Zudem würden die personenbezogenen Daten während der Übermittlung so verschlüsselt, daß Dritte nichts damit anfangen könnten.

Geplant ist, daß die patientenbezogenen Daten per Diskette, Magnetband oder per Datenfernübertragung übermittelt werden. „Wenn Hacker es schaffen, in die Computer der US-Raumfahrtbehörde NASA einzudringen, dürfte es ihnen auch gelingen, die Codes der Kassen zu knacken“, befürchtet Köppl. Doch auch dies weist der EDV-Experte der AOK zurück: „Wir haben kein öffentliches Netz, das anwählbar ist. An das AOK-interne Netz kommen Außenstehende nicht ran.“ Bei einer Datenfernübertragung kämen die Daten in einer Annahmestelle an – vergleichbar mit einem Briefkasten – die aber keine Verbindung zu den Datenbeständen habe.

Auch bei den niedergelassenen Ärzten wird demnächst per EDV abgerechnet. Allerdings erhält die Kasse hier keine patientenbezogenen Daten. Der Hausarzt reicht Befund und Behandlung zu Abrechnungszwecken an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) weiter. Diese übermittelt sie den Kassen in anonymisierter Form.

Als die Einführung der Krankenversichertenkarte 1989 beschlossen wurde, erhoffte sich Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) eine Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Zum einen können Ärzte und Krankenhäuser besser kontrolliert werden, ob sie wirtschaftlich arbeiten. Zum anderen sollten ursprünglich sogenannte „Versichertenkonten“ eingerichtet werden. Wer wenig krank ist und die Kasse wenig kostet, sollte einen Teil seiner Krankenversicherungsbeiträge zurückerhalten. Die Pläne wurden fallengelassen, nicht zuletzt wegen der Bedenken der Datenschützer. Dorothee Winden