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DokumentationStille Post

■ Der Kore Verlag über Taslima Nasrins Fernbleiben von der Buchmesse

Was bisher geschah: Taslima Nasrin war nicht zu einer angekündigten Pressekonferenz während der Frankfurter Buchmesse erschienen. Dort war sie von Gabi Gleichmann, ihrem Gastgeber im schwedischen Exil, vertreten worden. Nach der Buchmesse war dieser in die Kritik der schwedischen Presse geraten: Es hieß, er habe Nasrin im Interesse seiner eigenen Zeitung isoliert. Letzte Woche ist er als Vorsitzender des schwedischen PEN abgelöst worden.

Im August 1994 entschließt sich der Kore Verlag, die Briefaktion der taz für Taslima Nasrin zu unterstützen und ein Buch daraus zu machen. Über die Reporters sans frontières bekommen wir Kontakt zu Gabi Gleichmann, dem Präsidenten des schwedischen PEN-Clubs, der sie aus Sicherheitsgründen allein betreut und die Verbindung zu Taslima Nasrin herstellen will. Wir faxen ihm einen Brief mit der Bitte, einen beigefügten Brief an Taslima Nasrin weiterzuleiten, in dem wir ihr Mitteilung machen, daß wir Briefe an Taslima Nasrin publizieren werden, und sie um eine Option für ihre politischen Kolumnen bitten. Herr Gleichmann ermöglicht uns keinen direkten Kontakt zu ihr, sichert jedoch die Weitergabe auch zukünftiger Korrespondenzen zu. Wir beschließen, Taslima Nasrin zu einer Pressekonferenz während der Frankfurter Buchmesse einzuladen. Gabi Gleichmann teilt uns mit, daß Taslima Nasrin ihre Entscheidung offen lasse, aber grundsätzlich interessiert sei, daß er sie in jedem Fall begleiten werde.

Um der Einladung öffentliches Gewicht zu verleihen, bitten wir den Börsenverein und den deutschen PEN-Club, ihrerseits Taslima Nasrin einzuladen. Beide sagen zu und faxen ihre Einladungen über Gleichmann an sie.

Wir telefonieren vor der Messe ein letztes Mal mit Gabi Gleichmann, der ihre und seine Teilnahme bestätigt. Am Messevortag informieren wir die Messeleitung, um die Sicherheitsvorkehrungen zu gewährleisten, desgleichen den Börsenverein und den PEN-Club. Wir selbst beschließen, Taslima am Flughafen abzuholen, Ankunft gegen 11.30 Uhr, Taslima kommt nicht, dafür Gabi Gleichmann, der uns mitteilt, daß Taslima am vorhergehenden Freitag im Transitraum auf dem Frankfurter Flughafen als unerwünschte Person der Aufenthalt verweigert worden sei, deshalb sei sie nicht mitgekommen. Er werde auf der Konferenz darüber sprechen (was er nicht tat).

Wir besprechen die unerwartete Situation mit dem Pressesprecher des Börsenvereins, Herrn Emmerling, der nach Rücksprache mit Herrn Dr. Kurtze, Vorsteher des Börsenvereins, die Pressekonferenz um 14 Uhr offiziell absagt. Diese Nachricht erreicht die Presse nicht mehr rechtzeitig, die Pressekonferenz findet statt.

Nach der Frankfurter Buchmesse ruft uns Taslima Nasrin aufgrund schwedischer Presseanfragen an, fragt, warum wir sie nicht eingeladen hätten, daß sie gern gekommen wäre, erzählt, daß Gabi Gleichmann ihr gesagt habe, daß er auf der Frankfurter Buchmesse zur Lage der algerischen Frauen sprechen werde. Wir erfahren auf diese Weise, daß all unsere Briefe und Anfragen, also auch die Einladungen, unsere, die des Börsenvereins und des PEN-Clubs, ihr von Gabi Gleichmann vorenthalten worden sind. Taslima Nasrin bittet uns, die deutschsprachige Presse darüber zu informieren.

Wir bitten Gabi Gleichmann schriftlich um eine Stellungnahme zu seinem unverständlichen Verhalten. Er hüllt sich in Schweigen.

(...) Der Kore Verlag war in seinem Bemühen um Kontakt zu Taslima Nasrin auf das Vertrauen zu Gabi Gleichmann angewiesen. Wir bedauern, uns darin getäuscht zu haben. Den Vorwurf, unsererseits die Öffentlichkeit getäuscht zu haben, weisen wir mit Entschiedenheit zurück. (...)

Freiburg, am 9.12.1994

Traute Hensch, Verlegerin

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