■ Filmstarts à la carte
: Postwendendes Fraternisierungsverbot

Die Kasernen der russischen Soldaten, die unsereins nur en passant als trostlose Lichtlein außerhalb der Stadt kannte, waren offenbar auch für die Daheimgebliebenen ein Niemandsland der Imagination. Der Regisseur Zoran Solomun hat seinen erstmalig auf dem Filmfestival in Hof vorgestellten Film Weltmeister in der Zeit der Öffnung dieser Kasernen angesiedelt, als man meinte, sie müßten eigentlich aus einem Dornröschenschlaf erwachen.

Irgendwie blieb aber die Tristesse und auch die Unterversorgung, und nun kam auch noch die Aussicht hinzu, back in the USSR, die es nicht mehr gibt, keine Heimat mehr zu haben. „Weltmeister“ erzählt die Geschichte eines Sprößlings dieses Milieus, der ein blondes, pferdeschwanzschüttelndes deutsches Mädchen kennenlernt. Ein mehr oder weniger geheimes Fraternisierungsverbot lastet auf der zaghaft aufkeimenden Angelegenheit, das Akkordeon hilft da nur unwesentlich. Dem Film unterläuft zwar ein gerüttelt Maß an Milljöhzeichnung mit dem ganz, ganz dicken Marker, aber sein Kunstgriff ist, daß die Kinder ständig unter Prüfungsangst stehen, wenn ihren Eltern der Boden unter den Füßen schwimmt. Anders als bei Spielberg ist von diesem Moment keine Erlösung zu erwarten. Die Last ist zu groß.

Der Filmemacher Zoran Solumun, den man allerhand fragen kann in bezug auf die Selbstbilder der Soldaten (er selbst stammt, wenn ich mich recht entsinne, aus Ex-Jugoslawien), wird am 18.12. nach der Vorführung des Films zu sprechen sein.

Nicht nur wurde gerade in den späten dreißiger Jahren, als Juden in Frankreich gesellschaftlich längst Anathema waren, die ersten wichtigen Filme mit und über jüdische Protagonisten gedreht. Es gibt sogar Leute, die behaupten, so gut wie während der deutschen Besetzung sei es dem französischen Film noch nie gegangen. „Kinder des Olymp“, „Der Rabe“, „Das leichte Leben“ entstanden sämtlich in dieser Zeit.

Arte widmet dem Thema einen Abend mit dem Titel Zeit des Vergessens? Vichy, das Kino und Frankreichs Erinnerung, der am Donnerstag in der Akademie der Künste präsentiert wird, mit anschließender Debatte mit den Autoren.

Zum hundertsten Geburtstag von Paul Dessau wird dieselbe Akademie der Künste einige Filme zeigen, zu denen er die Musik komponiert hat, und diese Musik wird an jenem Sonntag überhaupt dort live aufgespielt. Die Filme: Alice und die Wildwest- Banditen, USA, 1926 von Walt Disney, same player shoots again mit Alice und die Feuerwehr; dann Die Wunderuhr von Ladislas Starewitsch von 1928 und schließlich ein Dokumentarfilm über Paul Dessau von Richard Cohn-Vossens aus dem Jahre 1966/67.

Experimentalfilm as we knew it: Zwei junge Menschen irren mit einer Videokamera durch London, bis es gar nicht mehr anders kann, als zu swingen, aus dem Auto, auf dem Bürgersteig, und erörtern dabei zunächst einige filmhochschulhafte Details („weißt du, es soll wie einer von diesen Low-Budget-Filmen über London aussehen, in denen nichts passiert und so“), bis schließlich die Frau aus dem Paar Mann und Frau beginnt, die talking-blues- artige Geschichte von Trevor and Tracy zu erzählen. Deren trübes Londoner Leben erhält einigen Auftrieb durch ein genregerechtes Verbrechen. Die „scenes of the crime“ sind in langen Einstellungen gedreht, die Videokamera macht den desorientierten Schnüffler. Schließlich treibt die Hetze, vor denen Trevor and Tracy in Jörg Langkaus Film fliehen, immer mehr auch die beiden Protagonisten an. Es geht um Leben und Tod und den automatischen Auslöser.

Mariam Niroumand

Brotfabrik: 15. bis 21.12.

Akademie der Künste: 15.12., 20 Uhr

Akademie der Künste: 18.12., 20 Uhr

Arsenal: 16.12., 18 Uhr