Stasi-Kündigungen an Humboldt-Uni

■ Studenten streiten mit Ehrenkommission über neuen Fall

An der Humboldt-Universität (HUB) sind bislang in sechzig Fällen Kündigungen ausgesprochen worden, weil die Betreffenden für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet haben. Rund zwei Dutzend Professoren und 36 Mitarbeiter aus dem Mittelbau, der Verwaltung und dem technischen Bereich mußten ihren Hut nehmen, berichtete gestern Uni- Präsidentin Marlis Dürkop auf Anfrage.

Die Zahlen geben den Stand von vor einer Woche wieder und werden sich unter den 450 Professoren, den 1.200 Mitarbeitern im Mittelbau sowie den 2.000 Verwaltungsangestellten und Technikern weiter erhöhen. Denn zum einen muß die Ehrenkommission noch rund ein Dutzend Gauck-Berichte auswerten, die seit längerem vorliegen, zum anderen kommen seit sechs Wochen gehäuft neue Befunde aus der Gauck-Behörde, teilte die Präsidentin mit.

Dürkop stellte sich gestern gemeinsam mit Dekan Bernhard Schlink und Mitgliedern der zur Zeit 13köpfigen Ehrenkommission 100 Studenten zur Diskussion. Bei den Rechtswissenschaften gibt es nämlich Unmut über den neuesten Entlassungsfall. Ein Jura-Professor verließ vor zwei Wochen nach einer „emotionalen Rede“ vor Studenten die Humboldt-Uni, so ein Erstsemester, bei der er zwar eine Mitarbeit für die Staatssicherheit einräumte, aber bestritt, dabei Personen geschadet zu haben.

Kanzler Rainer Neumann wies Vorwürfe der Studentenschaft zurück, Stasi-belastete Mitarbeiter würden entlassen, um den Sparauflagen des Senats nachzukommen. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht entschieden habe, daß Beschäftigte im öffentlichen Dienst gekündigt werden dürfen, wenn sie für das MfS tätig waren, sagte Neumann, seien diese Kündigungen dennoch die schwierigsten. Die Ehrenkommission, die Empfehlungen an die Präsidentin ausspricht, sei nicht dann besonders erfolgreich, meinte ihr stellvertretender Vorsitzender Wolfgang Stellmacher, wenn sie möglichst viele Kündigungen empfehle. Dürkop war in der Vergangenheit den Empfehlungen der Kommission in der Regel gefolgt.

Lebendig wurde die zweistündige Veranstaltung, als Studenten über den konkreten Fall reden wollten. Doch sowohl die Präsidentin wie auch die Vertreter der Kommission lehnten es ab, über Personalangelegenheiten zu sprechen. Der bei den Studenten offenbar beliebte Jura-Professor wiederum zog es vor, trotz Einladung lieber gar nicht erst zu erscheinen. Dirk Wildt