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: Generation XY ungelöst "Aufbruch - wohin?"

„Aufbruch – wohin?“ Dienstag, 22.15, B 1

Jugend Ost – wo ortet sie sich fünf Jahre nach dem Mauerfall? Die heute (Um-die-)Zwanzigjährigen verbrachten ihre Kindheit in der DDR, ihre Jugend im gesellschaftlichen Umbruch, und das vereinte Deutschland nennen sie „Fahne ohne Wappen“. Seit 1990 begleitete Johannes Schäfer vier Jugendliche aus der ehemaligen „anderen Republik“, die Kellnerin Anja, den Theologiestudenten Chritoph, den Bundeswehrsoldat Maik und die Sinologiestudentin Anja. Geschichte in Biographien – was könnte spannender sein?

Johannes Schäfer hat sich bemüht, innerhalb seiner „Randgruppe“ Jugend den sozialen und politischen Rahmen weit zu fassen. Dennoch leidet sein Film an Unschärfe. Das liegt nicht an der Doku-Kamera, die die vier jungen Leute zeigt, wie man es von ihr erwartet: offiziell und privat, bei der Arbeit, auf Reisen, beim Bügeln und Träumen. Unscharf und bisweilen peinlich sind die Fragen, die der Regisseur seiner Generation XY stellt.

Maik hatte sich 1990 einer rechtsradikalen Gruppe angeschlossen. Er wettert über die Türken, die in sein Neubaugebiet ziehen, und verlangt eine „ausländerfreie Zone Deutschland“. Seine neue Freundin aber verbietet ihm neuerdings die „Glatzen“. Der Film zeigt, wie Maik Döner beim Türken kauft, mit dem er jetzt befreundet ist. Schäfer: „Stell dir vor, deine Kumpels planen einen Brandanschlag – wie verhältst du dich?“

Es ist mehr als plump, nämlich ärgerlich, wie hier mit Macht klare Erkenntnislinien gezogen sein wollen. Allein die arglose Offenheit, mit der Maik antwortet, macht einmal mehr deutlich, daß Ost und West „irgendwie zwei verschiedene Welten“ sind. Auch Anja und Christoph haben noch nicht gelernt, sich zu tarnen. Ihre Verunsicherung ist ihnen anzumerken. Alle drei vermissen Geborgenheit und finden es schlimm, „daß die Leute im Westen keine Zeit füreinander haben“. Schäfer stempelt seine Helden zu klischierten Prototypen Ost: ohne Konfliktfreudigkeit und konsolidiertes Selbstbewußtsein, naiv, verträumt, ein bißchen spießig. Menschen, die zwischen ideologischen Angeboten treiben und dann auf Lebensfelder zurückgreifen, die die ehemals geordneten Strukturen ersetzen: Familie, Religion, Militär. Sicher macht „Aufbruch – wohin?“ den Verlust von Gewißheiten deutlich. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Anke Westphal