„Da hab' ich die Wut gekriegt“

■ Die Unternehmensberaterin Sabine S. hat sich entschieden. Sie will Macht.

taz: Macht Macht Sie an?

Sabine S.: Da ist sicherlich eine erotische Komponente bei. Aber das Wichtigste ist, selbständig Entscheidungen treffen zu können.

Wie gewöhnt man sich an Macht?

Am Anfang weißt du nur, daß du nicht immer Sachbearbeiterin bleiben möchtest. Nach einiger Zeit wird dir klar, daß du dir Macht nehmen mußt, wenn du nicht untergehen willst.

Ist Ihnen diese Entscheidung leichtgefallen?

Nein. Ich hatte anfangs Angst vor der Verantwortung, aber auch davor, mich durchzusetzen. Du mußt ziemlich hart sein und manchmal auch mit Mitteln arbeiten, die nicht so ganz in Ordnung sind.

Wann haben Sie sich für die Macht entschieden?

Das war während eines Praktikums bei der Treuhand-Anstalt. Da haben die männlichen Praktikanten automatisch verantwortungsvollere Aufgaben bekommen. Sie haben sie angenommen und gesagt „das kann ich“, selbst wenn der Auftrag ein paar Nummern zu groß für sie war. Einmal kam ich ins Büro von einem und sah, wie er im Betriebswirtschafts- Lehrbuch blätterte, und zwar im falschen. Irgendwie hat er es dann trotzdem geschafft. Da hab' ich die Wut gekriegt.

Und dann?

War wieder so ein Fall, wo ich wußte, der Typ hat keine Ahnung. Ich hab' ihm dann vor versammelter Mannschaft zwei Fragen gestellt. Dann hab' ich den Job gekriegt. Danach haben die Männer mich ernst genommen.

Wie reagieren die Kollegen darauf, wenn eine Frau diese Schiene fährt?

In unserem Bereich gibt es sehr wenige Frauen, und die müssen einfach hart sein. Sonst kriegst du schnell den Sekretärinnen-Status. Einer meiner Chefs hat mir gleich am Anfang gesagt, ich soll bloß nicht so viel lächeln, bloß nicht zu entgegenkommend sein.

Gerade Frauen scheinen aber diesen Drang zu haben?

Frauen haben eher eine positive soziale Kompetenz, versuchen andere zu unterstützen, ihnen in schwierigen Situationen beizustehen. Dafür haben sie Schwierigkeiten, auch mal Sachen zu machen, mit denen nicht alle einverstanden sind, zum Beispiel mal hart gegenüber Untergebenen zu sein. Am schlimmsten wird das eigentlich, wenn du eine untergebene Frau hast. Da wird von dir erwartet, daß du keinen autoritären Führungsstil hast und möglichst keine Kritik äußerst. Wenn du das trotzdem machst, gibt es Ärger. Das ist dann schon fast so eine Art Beziehungskrise. Da wird die Frau dann zickig und schmollt oder ähnliches.

Was bei den Männern nicht der Fall ist?

Nein, wenn du denen mal hart die Grenzen zeigst, akzeptieren sie das. Dann ist klar, wo sie verlaufen.

Wie sieht es mit gleichgestellten und vorgesetzten Männern aus?

In meinem Unternehmen herrschen branchenunübliche Sonderbedingungen. Wir haben einen Frauenanteil von 30 bis 40 Prozent und auch Frauen in Spitzenpositionen. Das war übrigens das einzige Unternehmen, das mich beim Vorstellungsgespräch nicht auf mein Geschlecht angesprochen hat. Daß ich als Frau wahrgenommen werde, merke ich dagegen bei Gesprächen mit Mandanten. Die denken oft wirklich, daß, wenn ich mit einem männlichen Kollegen da bin, ich eher die Sekretärin bin, auch wenn ich das Projekt verantworte und der mitlaufende Kollege nur Zuarbeiten macht. Das ist selbst dann so, wenn der Kollege ein völliger Grünschnabel ist.

Was machen Sie in solchen Situationen?

Besonders cool sein, besonders präzise, besonders bestimmt. Ich betrachte das mehr als Spiel, denke mir dann „so, jetzt zeig' ich's dir erst recht“. Und meist gibt es dann eine Möglichkeit, das Gegenüber in die Falle zu locken, ihm einen Denkfehler nachzuweisen. Meist kippt die Situation dann, und du kannst mit ihm so arbeiten, wie du es willst.

Es gibt die These, daß Frauen in Machtpositionen eher angefeindet werden als Männer.

Du bist als Frau in einer Machtposition sicherlich sehr viel umstrittener als ein Mann. Außerdem können Männer damit besser umgehen. Wir sind ja eher dazu erzogen worden, es allen recht zu machen. Macht bezahlst du mit Ablehnung. Und gerade wenn du einen Mann als Kollegen überrundest, dann kommt da ein viel größerer Neid als auf einen Mann. Du hast dann immer Leute, die dich nicht mögen. Damit mußt du leben können. Interview: Sonja Schock