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Die Castro-Hasser sitzen fest im Sattel

Unter den Kubanern in Florida ist die Macht der unversöhnlichsten Exilanten ungebrochen / Nach Clintons jüngster Wahlniederlage keine Chance für US-kubanischen Dialog  ■ Aus Miami Andrea Böhm

Der Himmel war blau und hing voller Propaganda. Wie beim Ringelreihen kreisten drei kleine Propellermaschinen über der Orange Bowl, dem Footballstadion von Miami. Die eine warb für eine lokale Radiostation; die zweite zog den Werbestreifen eines Matratzengeschäfts hinter sich her; der dritte Brummer hatte ein Transparent mit der Aufschrift „Nieder mit Castro“ im Schlepptau. Radio- und Matratzenreklame fanden kaum Resonanz. Doch wann immer der Anti-Castro-Slogan ins Sichtfeld der Demonstranten kam, rauschte Beifall durch das Stadion.

Rund 50.000 Kubano-Amerikaner waren am letzten Wochenende anläßlich des Gipfeltreffens der amerikanischen Staats- und Regierungschefs aufmarschiert, um einmütig wie ein sozialistischer Parteikongreß Fidel Castro zu verdammen – und all jene, die sich für einen Dialog mit dem Regime in Havanna auszusprechen wagten, gleich mit. 100.000 bis 150.000 Teilnehmer hatten die Veranstalter – angefangen von der „Kubanisch- Amerikanischen Nationalstiftung“ (CANF) des selbsterklärten zukünftigen Staatschefs von Kuba, Jorge Mas Canosa, bis zur „Loge der kubanischen Freimaurer im Exil“ – eigentlich erwartet. Doch offensichtlich hat die Anziehungskraft der Hardliner unter den Kubano-Amerikanern in Südflorida nachgelassen.

Nur änderte die eher enttäuschende Teilnehmerzahl nichts an dem Umstand, daß Mas Canosa und seine rechtsextreme CANF fest im Sattel sitzen. Der 55jährige Baumillionär, Teilnehmer der gescheiterten Schweinebucht-Invasion von 1961 und seit Anfang der 80er Jahre die politisch mächtigste Figur in Miami, hat seinen Einfluß im Weißen Haus nach der Wahlniederlage des Republikaners George Bush 1992 nicht nur halten, sondern gar vergrößern können. Als im August diesen Jahres eine von Castro mitinszenierte Flüchtlingskrise die Clinton-Administration in Bedrängnis brachte, da gewährte der US-Präsident einzig Jorge Mas Canosa eine 90minütige Unterredung. Und danach wurde fast der gesamte Forderungskatalog des Exilkubaners erfüllt: Einstellung aller Charterflüge zwischen Miami und Havanna, Stopp aller Geldüberweisungen von Exilkubanern an Familienmitglieder auf Kuba sowie die Erweiterung des von Mas Canosa kontrollierten TV- und Hörfunksenders „Radio Marti“. Lediglich die von Mas Canosa gewünschte Seeblockade Kubas durch die US- Marine behielt sich Clinton zunächst nur „als Option“ vor. Dafür ordnete das Weiße Haus eine faktische Blockade gegen die kubanischen balseros an, die seither wie ihre Schicksalsgenossen aus Haiti von der US-Küstenwache abgefangen und bis auf weiteres auf dem auf Kuba liegenden Militärstützpunkt Guantanamo Bay oder in Dschungelcamps in Panama interniert werden.

Mas Canosa und sein organisatorisches Netzwerk ist nach Ansicht von Bürgerrechtsorganisationen und moderateren Exilkubanern nicht nur für Washingtons Kuba-Politik maßgeblich verantwortlich, sondern auch für ein Klima der Repression und Intoleranz in Miamis kubanischer Gemeinschaft. Wer hier offen für die Aufhebung des US-Embargos oder Verhandlungen mit dem Castro-Regime eintritt, der riskiert nach wie vor Drohanrufe, Bombenanschläge sowie eine öffentliche Geißelung durch den CANF- Chef auf seinem Radiosender. Die Rechtsanwältin Magda Montiel bekam die Wut der Hardliner in Miami persönlich zu spüren, nachdem sie im April dieses Jahres mit 200 anderen Exilkubanern zu einem Treffen mit Fidel Castro nach Havanna gereist war. Die nächsten Monate nach ihrer Rückkehr verbrachte sie nach einer Welle von Todesdrohungen unter ständiger Bewachung der Polizei.

Daß Bill Clinton so hartnäckig die Gesellschaft des Jorge Mas Canosa sucht, führt Montiel, selbst Demokrat, auf eine „extrem kurzsichtige Kalkulation“ des Weißen Hauses zurück. „Clinton glaubt, er könne so bei den nächsten Wahlen die Stimmen der Kubaner in Florida gewinnen.“ Die aber würden „allein aus Tradition“ weiterhin republikanisch wählen.

Solange aber die Clinton-Administration Leuten wie Mas Canosa „den Rücken krault“, sagt Magda Montiel, finden andere Stimmen und Meinungen in Washington kein Gehör. Bislang zählte noch der „Black Caucus“, der Zusammenschluß afroamerikanischer Abgeordneter im US-Kongreß, zu den agilsten Unterstützern der „dialogistas“, wie die verhandlungsbereiten Exilkubaner genannt werden. Doch nach dem Sieg der Republikaner bei den Kongreßwahlen am 8. November wird der „Black Caucus“ voraussichtlich nicht nur die Finanzierung als parlamentarische Minderheitengruppe, sondern auch einen großen Teil seines politischen Einflusses verlieren. „Unsere Chancen, derzeit irgend etwas auf dem Feld der US-kubanischen Beziehungen zu bewegen“, sagt Magda Montiel, „sind minimal.“

Mit einer Entspannung dieser sorgsam gepflegten Feindschaft rechnet auch jener Mann nicht, der zum Gipfeltreffen in Miami als einziger Staatschef der westlichen Hemisphäre nicht eingeladen worden war. In einem launigen Interview mit der New York Times präsentierte Fidel Castro sein Regime als „die letzten Rebellen“, für die auf dem Gipfel kein Platz gewesen sei. Am Ende des Gesprächs ließ der „Rebell“ ausdrücklich Grüße an den zukünftigen Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses im Senat und erzreaktionären Castro- Gegner, Jesse Helms, ausrichten. Er sei schließlich, meinte Castro über sich selbst, nicht nur Rebell, sondern auch „Realist“.

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