■ Mit Solardächern auf du und du
: Geheimsache Sonne

Berlin (taz) – Soviel Geheimniskrämerei um eine Diplomarbeit war selten. Noch im Juni 1993 durfte Ralf Bischof seine Ergebnisse öffentlich vortragen. Dann teilte das Institut für Elektrowärme der Universität Hannover per Ordre de Mufti dem inzwischen zum Dipl.-Ing. Avancierten mit: „Alle geplanten Publikationen bedürfen der Zustimmung des Institutsleiters.“ Und die Stadtwerke Aachen, die die Basisdaten geliefert hatten, sitzen bis heute auf der Studie aus Hannover. Selbst der Aachener Umweltausschuß bettelte lange vergeblich um ein Exemplar der Arbeit.

Zur Geheimstudie stieg Bischofs Werk – Titel: „Möglicher Beitrag der Photovoltaik zur elektrischen Energieversorgung einer Stadt“ – just in dem Moment auf, als sich die Sonnenanbeter des in Aachen ansässigen „Solarenergie-Fördervereins“ (SFV) für die Ergebnisse zu interessieren begannen. Denn die sind unerhört: Bis zu 65 Prozent des Strombedarfs in deutschen Städten könnten demnach mit Hilfe von Solarzellen auf Hausdächern erzeugt werden. Die Stromkonzerne behaupten in ihren Anzeigen dagegen eisern: „Auch langfristig“ könnten Sonne, Wind und Wasser „nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken.“

Zwar berechnet Bischof lediglich ein „technisches Potential“; ökonomische, organisatorische, juristische und tarifliche Hemmnisse bleiben also außen vor. Doch der Kern seiner Ergebnisse ist kaum anzuzweifeln. Weder die nutzbaren Flächen noch technische Probleme begrenzen den möglichen Beitrag der Photovoltaik zur Stromversorgung. Die aktuellen Grenzen sind allein ökonomischer und politischer Natur – wie gerade das Veröffentlichungsdrama um die Studie vor Augen führt.

Auf das günstigste Szenario mit 65 Prozent kommt Bischof, wenn er alle Dachflächen einbezieht, die mindestens 50 Prozent der maximalen Sonneneinstrahlung erhalten (das hängt von Ausrichtung und Neigungswinkel ab) und wenn er mit einem künftigen Wirkungsgrad der Solarmodule von 20 Prozent rechnet. Zudem bezieht er Speicher ein, die Sonnenangebot und Stromnachfrage ausgleichen. Werden nur die Dachflächen mit mindestens 70 Prozent des Maximalertrags eingerechnet, geht man überdies von einem – heute realistischen – Wirkungsgrad von 15 Prozent aus und verzichtet auf Speicher, schrumpft der Sonnenstrombeitrag zum Jahresbedarf auf 16,8 Prozent. Ein einziger 200-Megawatt-Speicher erhöht den Wert bereits auf 21,6 Prozent. Bleibt die Frage: Wann darf Ralf Bischof sprechen? Gerd Rosenkranz