Gutachten statt Haft?

■ „Bedingungslose Freilassung“: 600 Unterschriften für Christine Kuby

Muß die schwer erkrankte RAF-Gefangene Christine Kuby zurück ins Gefängnis? Wenn ein jetzt in Auftrag gegebenes Gutachten über ihre „Gefährlichkeit“ rechtzeitig eintrifft, vielleicht nicht. Dies deutete die Pressesprecherin des zuständigen Hamburger Oberlandesgerichts, Rolf-Schoderer, gegenüber der taz an.

Kuby (37) wurde 1979 als 21jährige wegen versuchten Mordes an zwei Polizisten zu lebenslanger Haft verurteilt – juristisch ein „Hammer“, wie ihre Anwältin Ursula Erhardt gestern vor der Presse sagte. Derzeit befindet sich die in der Haft schwer erkrankte Kuby, der selbst der Anstaltsarzt „dauerhafte Haftunfähigkeit“ bescheinigt, zur Erholung in einem Holsteiner Krankenhaus. Eine dringende Bandscheibenoperation hatte ihr im November nach beinahe 17 Jahren Haft die Freiheit verschafft. Am Tag vor dem OP-Termin stimmte die Bundesanwaltschaft der Haftunterbrechung zu, andernfalls waren unheilbare Gesundheitsschäden zu erwarten. Nach Ende der Rehabilitationszeit aber droht die erneute Inhaftierung.

„Damit würde die Wiederholung der eingetretenen Eskalation ihrer gesundheitlichen Situation vorprogrammiert“, sagen etwa 600 UnterzeichnerInnen einer Unterschriftenliste, die heute veröffentlicht wird. Unterschrieben haben die Liste neben vielen HamburgerInnen auch eine Reihe norddeutscher PastorInnen.

Dem von ihnen erzeugten öffentlichen Druck mag zuzuschreiben sein, daß das Gutachten jetzt in Auftrag gegeben wurde. Es wird ohne Mitwirkung Kubys nach Aktenlage erstellt. Den Antrag auf „vorzeitige“ Haftentlassung nach 15 Jahren, für dessen weitere Behandlung das Gutachten notwendig ist, hatte Kuby bereits vor zwei Jahren gestellt. Ob es vor Ende der Rehabilitationszeit vorliegen wird und damit vor Ablauf der Haftunterbrechung, ist daher mehr als fraglich. „Es sind keine juristischen Entscheidungen“, die zur Freilassung Kubys führen, erklärt Anwältin Ehrhardt.

Zur Unterstützung von Kuby findet am Samstag eine Demonstration in Hamburg statt (13 Uhr, Hachmannplatz). Fritz Gleiß