■ betr.: „Offener Brief“ einiger Grü ner an Dany Cohn-Bendit, taz vom 9. 12. 94

[...] Als Wähler der Grünen bin ich mit der Politik dieser Partei bisher sehr zufrieden. Ausgenommen beim Thema Bosnien. Dort unterstütze ich zwar schweren Herzens, aber doch entschieden die Position Cohn-Bendits. [...]

Volmer und Co. versäumen es, bei ihrer Argumentation die Fakten zu würdigen. Wir haben in Bosnien einen faschistoiden serbischen Aggressor, der Völkermord und Vertreibung seit nunmehr drei Jahren ungehindert betreibt. Marek Edelmann, der letzte lebende Kommandant des jüdischen Aufstandes im Warschauer Ghetto und Überlebender des Holocaust hat gesagt: „Das, was in Bosnien passiert, ist ein posthumer Sieg für Adolf Hitler.“ Oder Simone Veil, erste Präsidentin des Europaparlaments, sagte: „In Bosnien geschieht Völkermord.“ Frau Veil war als Kind in Auschwitz. Auch viele andere Übelebende des Nazi- Regimes bezeichnen die serbische Aggression als faschistisch.

Wenn KZ-Überlebende solche Äußerungen tun, dann sollten in der ganzen Friedensbewegung die Alarmglocken läuten. Doch statt dessen herrscht beim Großteil der Friedensgruppen in Deutschland eisiges Schweigen und Ratlosigkeit. [...] Für die Menschen in Sarajevo und Bihać hilft nur eines: Taten statt Warten. Und an einem erneuten Holocaust in diesem Jahrhundert sollte sich die Friedensbewegung nicht durch endlose Debatten über das, was leider getan werden muß, nämlich Menschenleben zu retten, beteiligen. Johannes Reinhartz,

Frankfurt/Main

Weichbirniges Gerede, auf das im Moment keiner hört, der damit wirklich zu tun hat. Matthias Jong, Berlin

Daniel Cohn-Bendit tanzt etwas aus der Reihe und verlangt einen Einsatz der Bundeswehr in Bosnien. Prompt wird er bezichtigt, damit „nur altbekannte Klischees herrschenden militaristischen Denkens anzubieten“. Im Klartext soll das doch wohl besagen: Angriff à la General Schwarzkopf ist die beste Verteidigung, nicht kleckern, sondern klotzen. So gesehen ein grotesker Vorwurf an den lieben Dany, zumal Sprecher vom Bündnis 90/ Die Grünen, laut taz vom 22. 7. 93, selbst Militärschutz für Bosnienhilfe verlangt haben. Dr. Arnold Bauer,

Garmisch-Partenkirchen

[...] Wer legt in Westeuropa eine Kreuzzugsmentalität an den Tag? Wer sind die geheimnisvollen Herrscher in Deutschland und Westeuropa? Ist es das Kapital, das Weltjudentum, sind es die Waffenschieber? Leben wir am Ende nicht in einer parlamentarischen Demokratie mit Gewaltenteilung, Gesetzgeber, Regierung und Opposition? Wo bestimmt militärisches Denken der wirklich Herrschenden die Außenpolitik?

Während der „liebe Dany“ an unsäglich leidende Menschen denkt und versucht, unter real bestehenden politischen Verhältnissen eine widerwärtige nationalistische Gewaltpolitik anzuprangern, sich Gedanken macht, wie ein bereits tobender Krieg eingedämmt, wie genommene Geiseln befreit werden können, wollen die bündnisgrün grüßenden Briefeschreiber erst einmal die Welt nach ihren Vorstellungen verändern. Verwirrend auch ihre Sicht des Balkankrieges. Nicht widerliche nationalistische Kräfte ziehen Grenzen mit Blut zu Lasten einer schutzlosen moslemischen Zivilbevölkerung, ohne Rücksicht auf die elementarsten Menschenrechte, sondern die westeuropäischen Großmächte einschließlich Deutschland behindern den Friedensprozeß. Wer verhandelt denn mit den Aggressoren? Wer macht dem Aggressor Zugeständnisse zu Lasten der unterliegenden Seite? Die Kriegstreiber auf dem Balkan kümmern sich jedenfalls den Teufel um einen pazifistischen Mainstream oder um westeuropäische Befindlichkeiten bei der Frage, wohin mit den bisherigen und kommenden Flüchtlingsströmen. [...] Jörn Haß, Gabriele Masterson,

Karlsruhe