Regenbogen über Irland

■ Irland wird von einer neuen Dreiparteienkoalition regiert

Dublin (taz) – Es war eine Zangengeburt: Gestern mittag wurde John Bruton mit 85 zu 74 Stimmen zum neuen irischen Premierminister gewählt, doch er mußte bis zuletzt zittern. Zwar hatte sich seine Partei Fine Gael (Stamm der Gälen) mit der Labour Party und Democratic Left auf ein Regierungsprogramm geeinigt, doch die „Regenbogenkoalition“ drohte an der Verteilung der Ministerposten zu scheitern. In der Verfassung sind 15 Minister vorgesehen – einer zu wenig, um alle Regierungsparteien zufriedenzustellen. Erst nach der Wahl Brutons einigte man sich gestern nachmittag darauf, daß Democratic Left nur einen Minister, aber drei Staatssekretäre stellt, von denen einer als „Sekretär der Regierung“ an Kabinettssitzungen teilnehmen darf. Die Regierungsbeteiligung der marxistischen Democratic Left ist eine Niederlage für Bruton, der die konservativen Progressiven Demokraten vorgezogen hätte, sich aber gegen die kleinere Labour Party nicht durchsetzen konnte.

Das Regierungsprogramm beinhaltet ein Referendum zur Legalisierung von Ehescheidungen, eine Absage an die Privatisierung von Staatsbetrieben, die Fortführung des Friedensprozesses in Nordirland sowie einen Volksentscheid über Irlands Teilnahme an einer europäischen Verteidigungspolitik. Die Erhöhung der Ministergehälter soll rückgängig gemacht und die Staatsverschuldung weiter gesenkt werden.

Ebenso wie die bisherige Regierungspartei Fianna Fáil ist auch die zweitstärkste irische Partei Fine Gael aus einer Abspaltung von Sinn Féin und IRA hervorgegangen. Als die britische Regierung nach dem Unabhängigkeitskrieg 1921 einen Vertrag anbot, der die Teilung der Insel und die Gründung eines irischen Freistaats vorsah, stimmte Cumann na nGaedheal, der Vorläufer von Fine Gael, dem Vertrag zu. In den dreißiger Jahren fusionierte die Partei mit den faschistischen „Blueshirts“. Die neue Partei taufte man Fine Gael. In den sechziger Jahren bildete sich bei Fine Gael ein starker liberaler Flügel, auch wenn die konservative Mittelschicht weiterhin das Wählerpotential stellte.

Seit fünfzehn Jahren geht es mit Fine Gael stetig bergab. Im Wahlkreis Dublin zum Beispiel gewann Fine Gael 1979 noch 40 Prozent der Stimmen. 1986 waren es 21 Prozent, und nach den letzten Wahlen vor zwei Jahren war der Stimmenanteil auf 18 Prozent gesunken. Ralf Sotscheck

Siehe Portrait Seite 11