Schludereien beim Blutspenden

■ Beim Roten Kreuz können Risikospender durch die Sicherheitsmaschen schlüpfen

„Alarmierende Zustände“ herrschen in den Blutspendeeinrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Diesen Vorwurf erhob der Kölner Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes. Obwohl in den letzten Monaten fast täglich neue kriminelle Praktiken aus der Blutbranche berichtet werden, hatte es das DRK nicht nötig, die Mindestanforderungen zur Sicherheit der Blutprodukte einzuhalten.

Vermutet wurde es schon lange, daß das DRK bei der Auswahl seiner Spender keine große Sorgfalt ausübt. Kontrolleure des Kölner Regierungsbezirks, die mehrere DRK-Einrichtungen unangemeldet überprüften, fanden jetzt die Bestätigung: Schon bei der Identifizierung der Spender wird geschludert. So begnügten sich die DRK-Mitarbeiter mit einem hauseigenen Spenderausweis, der, ohne Lichtbild, eine wirksame Kontrolle, „ob bereits zurückgewiesene Spender sich erneut einschleichen“, nicht zuläßt.

Für die bei jedem Spender vorgeschriebene ärztliche Untersuchung nahmen sich die DRK-Ärzte, so der Vorwurf im Kölner Bericht, im „Regelfall maximal eine Minute“ Zeit. Für den Sprecher der Interessengemeinschaft Hämophiler (IGH), Rainer Grote, ist es „völlig unverständlich“, wie die DRK-Ärzte es in dieser Zeit schaffen wollen, die notwendigen Untersuchungen vorzunehmen.

Die Spender sollen unter anderem nach ihren Krankheiten und ihrem HIV-Risiko befragt werden. Vorgeschrieben sind auch ärztliche Untersuchungen wie Blutdruck- und Pulsmessungen, Überprüfung von Gewicht und Größe sowie eingehende Hautuntersuchungen. Die Blutspenden werden zwar später Laboruntersuchungen unterzogen, bei denen auch nach HIV-Antikörpern gefahndet wird. Sollte aber der Blutspender sich erst wenige Wochen zuvor mit dem HIV infiziert haben, versagen auch die Laboruntersuchungen. Um dieses „diagnostische Fenster“ zu schließen, sollen Risikospender von vornherein ausgeschlossen werden.

Das DRK wies, wie nicht anders zu erwarten war, die Anschuldigungen zurück. „Die Sicherheit der Spender sehen wir voll gewährleistet“, heißt es beim DRK. DRK- Sprecherin Maren Köster-Hetzendorf betonte, daß von den Blutspendediensten die „Vorschriften voll eingehalten werden“. Der Vorwurf Antwerpes', daß die Ärzte sich keine Zeit nehmen, kann ihren Worten zufolge „nicht stehengelassen werden“. Eine eigene Überprüfung habe andere Zeiten ergeben: „Wir kommen auf durchschnittlich zweieinhalb bis sieben Minuten.“ In dieser Zeit sei eine eingehende Untersuchung möglich, meint die DRK-Sprecherin. Erbost ist man beim DRK auch darüber, daß sie die Vorwürfe erst aus den Medien erfahren hätten. „Warum hat sich der Kölner Regierungspräsident nicht mit uns vorher in Verbindung gesetzt?“ fragt man sich beim DRK.

Die Hämophilie-Interessenvertreter fordern inzwischen eine Intensivierung der staatlichen Kontrollen. „Bisher traute sich keiner an das DRK heran, weil es so marktbeherrschend ist“, meint der IGH- Sprecher Grote. Um eine Fortsetzung des HIV-Skandals zu verhindern, muß endlich gehandelt werden. Wolfgang Löhr