Freßpaket von Mama

■ ... und Rabatt vom Gericht für bedürftigen Scientologen Von Sonja Lange

So sieht er also aus, der Mann, der die niedersächsische Geistlichkeit, vertreten durch Pastor Gert Glaser, so massiv beleidigt hat: Blaß, schmal, mit leicht ergrauten Haaren, im gestreiften Sakko und schwarzen Cordhosen. Nervös und angespannt wirkt der 41jährige Franz Josef Riedl im nüchtern-freundlichen Verhandlungssaal der City-Nord-Filiale des Landgerichts.

Im September vergangenen Jahres war er noch ganz anders drauf, da hatte er den blassen Sektenbeauftragten Glaser der Evangelischen Landeskirche Hannover mit den Denunzianten des Dritten Reichs verglichen. Über dessen Briefe an den Deutschen Naturheilbund befunden, „niemals etwas derartig Verschleimtes“ gelesen zu haben. „Ich empfinde tiefste Verachtung für Ihr hinterhältiges Treiben, das ich auf der untersten Stufe menschlichen Verhaltens einordne“, legte der Vizepräsident und Sprecher von Scientology in Hamburg in seinem – nach Angaben des Anwalts im Affektstau verfaßten – Brief nach. Dafür hatte er in erster Instanz eine Geldstrafe von 18.000 Mark kassiert.

Richter Wilfried Horstkotte hatte gestern bei der Berufungsverhandlung eigentlich keine rechte Lust, noch einmal den Sachverhalt zu klären. Der Angeklagte habe sich für seine Äußerungen entschuldigt und damit ja zugegeben, den Pastor Glaser beleidigt zu haben. Verteidiger Wilhelm Blüml wollte dagegen seinem Mandanten nicht die Chance nehmen, sich als unschuldiges Opfer böswilliger Diskriminierung darzustellen. Bei dieser Gelegenheit bekam auch die Presse gleich ihr Fett weg: Eine Denunziation bei der Gestapo sei früher weniger schlimm gewesen als ein Outing in den Medien heute.

Geradezu erschütternd wird es aber, als das Gericht versucht, die materielle Lage des inkriminierten Briefschreibers zu klären. Sein Arbeitsverhältnis bei Scientology: Kein Vertrag, und die Höhe des Gehalts steht auch nicht fest. Jede Woche bekommen die hauptamtlichen ScientologInnen einen Scheck, die Höhe hängt vom jeweiligen Kassenstand ab. Im Schnitt 1300 Mark im Monat, schätzt Riedl, bekommt er für 50 Stunden Arbeit pro Woche. 1800 bescheinigt die „präsente Zeugin“ Schatzmeisterin.

Davon kann man sich weder Frau und Kind noch Auto leisten. Wenn da nicht die braven Eltern Riedl im fernen Franken wären, dann müßte der Bub womöglich in abgerissenen Kleidern rumlaufen. Aber die guten Leute unterstützen den Sohn: Sie kaufen ihm von Zeit zu Zeit einen neuen Anzug und schicken Freßpakete mit fränkischen Spezialitäten: „Presskopf“ schwärmt Riedl, ganz unasketisch. Ein Glück zudem, daß sie katholisch sind. Da bekommt Franz Josef nämlich nicht nur zu Weihnachten und zum Geburtstag Geschenke, sondern auch zum Namenstag.

Soviel Armut kann das Gericht kaum glauben. In seinem Urteil geht der Richter von monatlichen 3000 Mark netto aus, Zuwendungen von Scientology wie Krankenversicherung, kostenlosen Rechtsbeistand und Gratis-Kurse zur Persönlichkeitsvervollkommnung eingerechnet. Und so bleibt es am Ende bei den 90 Tagessätzen, die schon der Amtsrichter für angemessen befunden hatte. Nur die Höhe hat sich halbiert: von 200 auf 100 Mark pro Tag. 50 Prozent Rabatt für den durchgeknallten Öffentlichkeitsarbeiter – volle Genugtuung für den Pastor.