Die Invasion der Specksteineulen

■ Wunder auf dem Weihnachtsmarkt: Kotfreies Vogelfutter, Kränze aus Ostasiens Erzgbirge. Nur kein Rehhagel in Gips.

Das hätte das liebe Jesuskind bestimmt nicht gerne gesehen: Über seine Krippe hinweg feilschen die Nachgeborenen, was das Zeug hält. „Kein Kaff mehr ohne Weihnachtsmarkt“, bedauert auch Wolfgang Ahrens, leitender Marktverwalter des Stadtamtes und zuständig für den Bremer Jingle-Tingel.

„Aber wir versuchen, ein bißchen vorweihnachtliches Ambiente zu schaffen“, beteuert der Herr über 162 Stände. Nur ein Viertel aller Marktbuden dienen dem Leibeswohl. „Wir haben das Fressen und Saufen ziemlich niedrig gehalten, um ein vernünftiges Angebot zu machen.“ Und das bekommt die Stadt über niedrige Standpreise: Während andernorts pro Bude täglich bis zu 100 Mark ins städtische Weihnachtssäckl fließen, nimmt Bremen für die ganzen vier Wochen nur 50 Mark pro Quadratmeter und bleibt, heißt es, trotzdem kostenneutral. So konnte man unter 550 BewerberInnen, die sich um den Platz an der billigen Futterkrippe rangelten, die niveauvollsten aussuchen. Das machen die HandwerkerInnen im Rathaus unter sich aus, dafür sind sie, lobet den Herrn, von Standgebühren ganz befreit.

Glückliche Gesichter also, wo man hinsieht. „Es lohnt sich“, versichert die Verkäuferin der Tillandsien. Ihr Geschäft blüht wie die wurzellosen südamerikanischen Blumen, welche die Freundin per Heißluftkleber auf den handgetöpferten Untergrund verpflanzte. Gehen tun auch die Meisenknödel von nebenan. Oder die Holzmännchen und -eulen, in deren Bäuche man das Vogelfutter samt erhitztem Rindertalg drücken kann. So menschlich warm angebracht, bleibt das Futter rein, kein Vogel scheißt mehr ins eigene Freßchen.

Die Eule ist an vielen Ständen beheimatet: Ob aus Keramik, Perlmutt, Marmor, Glas, Silber, Speckstein oder Salzteig, sie glotzt aus jedem Material. Nachdem die Invasion der Duftlampen weitgehend abgeschlossen scheint, ist die Eule das bestimmende Motiv des 94er Jahrgangs. Gleich mehrere Arten dieser Gattung trugen die Wiegmanns, ein Familienbetrieb aus dem Bergischen nach Bremen. Doch sie haben auch Schweine und Teddies im Strohkranz. Alles selbstgebastelt, das ganze Jahr über in Heimarbeit. Das heißt, die Kränze kommen aus Polen, der Baumbehang stammt aus Fernost. „Das ganze Erzgebirge kommt doch mittlerweile aus Fernost“, zwinkert Gevatter Wiegmann munter aus den Strohsternaugen. Trotzdem, vor ein paar Jahren hat bei ihm in Bonn schon Frau Kohl eingekauft. „Irgendwat aus Stroh.“

Ein paar Schritte weiter friert Eberhard Schroer in seiner Schneemann-Wurfbude. „Mit Schneebällen hatte ich schon immer was im Sinn, ich wußte nur nicht, auf was die geworfen werden sollen.“ Die rettende Idee kam mit den laubgesägten Schneemännern. „Läuft gut, das Spielgeschäft“, zumal er mit einem zweiten Stand dazuverdient. Dort werden Nußknacker geangelt. „Das sind im Sommer Fische, und mit denen reisen wir ja das ganze Jahr über die Märkte.“

Was dem Schroer sein Fisch, ist dem Schürmann sein Beethoven. Aus Gips gegossen fürs Klavier oder, kleiner, für die Telefonablage. Auch Mozart, Schubert, Bach und Chopin gibts in Gips, aber die laufen nicht so gut. „Beethoven ist völlig zeitlos,“ doch mit dem alten Fritz ist scheinbar „Bremen flächendeckend versorgt.“ Auch Caesar und Napoleon sind Ladenhüter. Was geht, sind diese Grufti-Sachen, Teufel, Totenköpfe, Notre-Dame-Figuren. Peanuts gegen Otto Rehhagel, schätzt Schürmann, „mit dem wäre ich in zwei Jahren Millionär geworden.“ Vier Monate hat er Modelle geschnitzt. Die ganze Elf wollte Schürmann eingipsen, doch dann kam Willi Lemkes Spionageskandal. „Große Scheiße!“ Schürmann beschäftigte sich intensiver mit Fußball, doch auch auf dem Platz nur Enttäuschung: „Diese Knochenbrecherei, das ist doch unmenschlich, sowas müßte man verbieten!“ Heinz Schürmann beschloß, Otto Rehhagel samt Millionärsaussichten in die Tonne zu treten, „aus ethischen Gründen“. Oh, selige Weihnacht! Dora Hartmann