: „Wir informieren uns zunächst einmal“
■ Ein Gespräch mit Halo Saibold von den Bundesgrünen, die den Vorsitz im Fremdenverkehrsausschuß übernahm
taz: Sie sind, wie schon 1987 bis 1990 , für die Grünen im Bundestag im Ausschuß für Fremdenverkehrspolitik. Sehen Sie sich mit veränderten tourismuspolitischen Bedingungen konfrontiert?
Halo Saibold: Ich kann das im Moment nicht genau abschätzen, aber offensichtlich ist einiges gelaufen. Tagungen, Berichte, es gibt Studien, einen Bericht der Bundesregierung zum Tourismus... Wir wollen uns jetzt erst einmal informieren.
Welche Bedeutung hat der Ausschuß für Fremdenverkehr?
Er kann die verschiedensten Themen in die Öffentlichkeit bringen. Man kann öffentliche Sitzungen abhalten. Mit den gleichen Leuten wie bisher glaube ich an eine erfolgreiche Zusammenarbeit
Sehen Sie als Sprecherin die Möglichkeit, den Tourismus verstärkt als gesellschaftspolitische Aufgabe zu thematisieren?
Es ist immer noch der Fall, daß Tourismus als rein wirtschaftlicher Faktor gesehen wird. Aber zumindest ist jetzt Öko in den Köpfen, wenn auch nicht in den Taten drin. Wir haben aber das Problem Massentourismus. Nicht nur einmal im Jahr, sondern drei- oder viermal verreisen die Menschen. Da muß man natürlich die gesellschaftlichen Ursachen thematisieren und fragen, welche Arbeitsbedingungen, welche Wohnbedingungen haben wir.
Alle Parteien haben mittlerweile Umwelt- und Sozialverträglichkeit in ihrem tourismuspolitischen Programm. Worin unterscheiden sich die Grünen?
Wir wollen eben versuchen, eine gesellschaftliche Diskussion in Gang zu bringen: Was ist eigentlich reisen? Wie oft muß ich reisen? Wie weit muß es sein? Was ist der Sinn des Reisens? ... Ich kann ja nicht nur bei den Anbietern anfangen und mit Auflagen und sonstigen Sachen arbeiten – das ist sowieso klar. Mir scheint die gesellschaftliche Debatte ungeheuer wichtig.
Was ist machbar in der nächsten Legislaturperiode?
Wir wollen eine Sozialverträglichkeitsprüfung einführen. Wir müssen jetzt die Kriterien finden. Umweltverträglichkeitsprüfungen sind jetzt zumindest vorgeschrieben. Aber die ökologische Überlastung der massentouristischen Gebiete hängt ja auch mit einer Überlastung der Einwohner zusammen.
Sollen bestimmte touristische Formen gefördert werden?
Natürlich wollen wir Musterprogramme, aber wir wollen erst sehen, was bislang gefördert wurde, wo die EU-Gelder hingeflossen sind. Wir wollen wissen, was tatsächlich passiert ist, und dann natürlich auch verschiedene Vorschläge einbringen für Projekte, von denen wir meinen, daß sie in die richtige Richtung gehen.
Würden Sie aus ökologischen Gründen restriktive Maßnahmen befürworten?
Beispielsweise am Wattenmeer ist klar, daß der Besucherverkehr begrenzt werden muß; aber auch über veränderte Nutzungsformen muß geredet werden, über Einschränkungen oder Einstellung der Nutzungen. Das ist von Fall zu Fall verschieden. Ich glaube, daß die Wirtschaft ein Interesse hat, auch in Zukunft Tourismus betreiben zu können. Da muß man noch Überzeugungsarbeit leisten, daß es nicht darum geht, die kurzfristigen Gewinne anzustreben und dafür langfristig in die Röhre zu schauen.
Was sind für Sie die schlimmsten Entwicklungen der vergangenen Jahre, zum Beispiel in den neuen Bundesländern?
Das kann ich jetzt noch nicht so sagen. Was wir besonders thematisieren wollen, ist das Problem des Ferntourismus. Wenn ich zum Beispiel an die Klimabelastung durchs Fliegen denke... Und außerdem ist es so, daß in vielen Ländern mit Entwicklungsgeldern eine Infrastruktur für Tourismus aufgebaut wird und sich damit einseitige Abhängigkeiten herstellen. Solche Entwicklung dürfen nicht gefördert werden.
Was waren für Sie gute Entwicklungen?
Beispielsweise in der brandenburgischen Schorfheide. Dort wird versucht, Landwirtschaft und Tourismus zusammenzubringen. Interview: Christel Burghoff
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