Saubere Küche Ost

■ "Wir sind auch nur ein Volk", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

Man traf sich buchstäblich in der Mitte. Als sich die Herren ARD- Programmdirektoren (West) und Damen Programmbeobachterinnen (vorwiegend Ost) zu einer Pressekonferenz in einem Berliner Kulturzentrum (ehemals Ost, jetzt Gesamt) einfanden, um die neueste TV-Produktion von Otto Meissner (West) zu sichten, die sich der namhafte Schriftsteller Jurek Becker (Ost/West) erdacht und der namhafte Schauspieler Manfred Krug (dito) umgesetzt hatte, ging es – wer hätte das ahnen können! – um eine Ost-West-Geschichte.

Man habe einen „Farbtupfer ins Herbstprogramm setzen“ wollen und natürlich auch „mitten hinaus“ gewollt „ins pralle Leben“, erläuterte ARD-Programmdirektor Struve die medialen Vorüberlegungen seines Senders – und die „Vorurteile“ zwischen Ost und West, die wollte man natürlich „abbauen“.

Aber auch „lustig“ sollte es werden, mischte sich an dieser Stelle der Schriftsteller Becker ein, denn bisher sei das Thema Wiedervereinigung ja immer nur mit „unendlich schlechter Laune“ behandelt worden. Und Manfred Krug zeigte dazu seinen westbiergeschwängerten Leib, auf den ihm die Geschichte geschrieben worden sein soll.

Da lehnten sich die Damen aus den Ostredaktionen durchaus beeindruckt in den Polstern zurück, ja, und auch wohlwollend: Denn diesen beiden (ehemals Ost, heute Mitte) traute man doch von allen noch am ehesten zu, ihre neue Realität TV-technisch zu bündeln. Und während draußen das „pralle“ Vereinigungsleben durch Berlin-Mitte tobte, schauten wir also gesamtdeutsch auf „Wir sind ja auch nur ein Volk“.

Und da treffen sich vor unseren Augen wiederum diverse Herren Programmdirektoren, denn auch sie wollen einen Farbtupfer ins Herbstprogramm setzen, „mitten aus dem prallen Leben“, und die Vorurteile Ost/West abbauen wollen sie auch. Weshalb sie den Schriftsteller Steinheim (West) beauftragten, ein Drehbuch (Mitte) zu entwerfen. Was ihm ausgesprochen schwerfallen muß – er kennt nämlich gar keine Ostler. Und die Mauer assoziiert er – wie westseits der Mitte durchaus üblich – bestenfalls als „Grenze zwischen uns und der Mongolei“. So wird ihm also von seinem Produzenten (West) eine Testfamilie (Ost) vermittelt, die Steinheim dann „wie Insekten unter der Lupe“ studieren darf.

Es läßt sich leicht denken, welch charmante Begegnungen da auf alle Beteiligten warten, wenn sich der Literatenstar Anton Steinheim (Dietrich Mattausch) mit dem Dispatcher Benno Grimm (Manfred Krug) und seiner Familie trifft. So manches Vorurteil „mitten aus dem prallen Leben“ flimmert da über den Bildschirm – und lustig ist es allemal.

Als dann die Lichter im Vorführungssaal wieder angehen, ist es aber schon wieder vorbei mit dem öffentlich-rechtlich verantworteten „Wandel durch Annäherung“. Warum es „bei den Grimms denn so schmuddelig“ gewesen sei, will eine Dame aus dem Profipublikum wissen, „wo sich die ostdeutsche Küche doch gerade durch penible Sauberkeit ausgezeichnet“ habe. Und wieso Becker nach seinem „Liebling Kreuzberg“ eigentlich schon wieder vom Prenzlauer Berg berichtet habe und nicht beispielsweise „aus dem sozialen Brennpunkt Marzahn“?

Vorbei die von der ARD-Pressestelle so hübsch arrangierte Parallelität von Fact und Fiction. Nun muß der bekannte Schriftsteller zugeben, daß „irgendwo eben auch erzählt werden soll, daß wir uns so unähnlich nicht sind“, und daß er – ganz anders als sein alter ego Steinheim – durchaus ein „Intimkenner der ostdeutschen Szene“ sei, sich aber in Marzahn zugegebenermaßen als „Tourist“ fühle.

Und Manfred Krug, befragt, wie er sich auf seine Rolle vorbereitet habe, erzählt uns tatsächlich, wie er sich aus dem Fundus eine alte Hornbrille, eine Schiebermütze und einen Bart besorgt und damit „kostümtechnisch doch schon weit vorn“ gelegen habe. Da endlich ahnen auch die Programmbegleiterinnen (Ost), daß das alles wohl doch nur wenig aus dem „prallen Leben“ gegriffen ist und auch kaum zum „Abbau von Vorurteilen“ führen wird. Aber lustig, lustig ist die ganze Veranstaltung schon irgendwie.

Klaudia Brunst