■ Alice Schwarzer hat als Turmherrin den Bogen überspannt: Cleverness und Machtgewinn
„Wer den Turm hat, hat die Macht“, titelte die Emma in ihrer diesjährigen Septemberausgabe einen Artikel über die Eröffnung des Frauen Media Turms in Köln. Alice Schwarzer scheint dieses Motto ein wenig zu persönlich zu verstehen. Allein die Ämterhäufung der erfahrenen Kämpferin macht schwindelig. Diese Machtkonzentration hat ihr bisher die Kontrolle über den Turm gesichert und zu einer unseligen und unübersichtlichen Verquickung des Wirtschaftsbetriebes Emma und des gemeinnützigen Archivs geführt.
Eigentlich clever und fast schon bewundernswert, wie Schwarzer einige Millionen locker gemacht, Karnevalsvereine und andere Mitbewerber ausgebootet und der Stadt Köln den prestigeträchtigen Turm abgeluchst hat, um offenbar nicht nur den Frauen ein Archiv, sondern auch gleichzeitig sich selbst und ihren Redakteurinnen preiswerte Arbeitsräume zu beschaffen. Sie hat eines der aktuellen Ziele der Frauenbewegung bereits erreicht: die Klaviatur der Macht zu beherrschen und Ressourcen zu erobern. Hätten nicht vor allem die Frauen das Nachsehen, wir könnten der Turmherrin ihren gelungenen Coup sogar gönnen. Daß aber Schwarzers Macht- und Raumbedarf die Arbeit des Archivs derart negativ beeinträchtigt, ist nicht akzeptabel. Noch bei der Einweihung des Turms lobte Schwarzer, „daß nun ausgerechnet bewußte Frauen einen Turm für sich allein“ hätten. Hört da jemand heraus: allein für Alice Schwarzer? Auch daß Schwarzer sich ohne entsprechende Qualifikation als Archivleiterin betätigt, ist der Sache ebensowenig dienlich wie die Tatsache, daß fast sämtliche Gründungsfrauen des Fördervereins gleichzeitig Schwarzers Angestellte sind.
Bisher hat Schwarzer eine bemerkenswerte Fähigkeit an den Tag gelegt, Konflikte einfach auszusitzen und jede Kritik von außen empört und ohne jedes Anzeichen von Selbstkritik zurückzuweisen. Bleibt zu hoffen, daß sie in diesem Fall ihren Starrsinn überwindet und aus eigenem Antrieb klare Verhältnisse im Turm schafft. Dazu gehört der Rückzug der Emma- Redaktion in die eigenen Redaktionsräume ebenso wie die Übertragung von Geschäftsführung und Archivleitung an entsprechend kompetente Mitarbeiterinnen.
Sollten die Impulse zur Veränderung nicht in absehbarer Zeit aus dem Turm selber kommen, wäre die Stadt Köln gefragt. Denn ihre Aufgabe ist es, die Einhaltung des Erbbauvertrages zu überprüfen. Schließlich sollte es auch in ihrem Interesse liegen, daß die Schätze im Turm der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sonja Schock
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