Die Kleinen und das Klima

Inselstaaten und Umweltgruppen fordern verbindliches Klimaprotokoll / Gedämpfte Erwartungen vor dem Berliner Gipfeltreffen  ■ Von Felix Berth

Was haben Trinidad und Tobago, Vanuatu, West-Samoa und Mikronesien gemeinsam? Ganz einfach: Sie gehören zur „Alliance of small islands“ (AOSIS), einem Bündnis von 35 Inselstaaten, und sie wollen aus nachvollziehbaren Gründen etwas gegen den Treibhauseffekt tun. Denn alle 35 sind von einer Erwärmung der Atmosphäre besonders stark betroffen. Wenn die Gletscher weiter schmelzen und der Meeresspiegel weiter steigt, werden größere Teile ihrer Inseln in wenigen Jahrzehnten überschwemmt sein. Politik gegen die globale Erwärmung ist für diese Staaten Überlebenspolitik.

Für den internationalen Klimagipfel, der im nächsten Frühjahr in Berlin stattfinden wird, hat diese Allianz nun den einzigen konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt. Dieser Entwurf für ein Protokoll sieht vor, daß sich alle Industriestaaten fest verpflichten, bis zum Jahr 2005 ihren Ausstoß von Treibhausgasen um 20 Prozent gegenüber 1990 zurückzufahren.

Solche Reduktionsziele geistern schon seit der Rio-Konferenz von 1992 durch Politik und Medien. Selbst Kanzler Kohl sprach von 25 bis 30 Prozent Kohlendioxid (CO2), das die Bundesrepublik bis 2005 einsparen wolle. Diverse europäische Staaten geben ähnliche, meist etwas schwächere Ziele an – neuerdings sogar der erste Staat in Osteuropa (siehe Kasten).

Allerdings wollen sich die Inselstaaten nicht mit wirkungslosen Ankündigungen abspeisen lassen. Sie fordern, daß beim Klimagipfel in Berlin ein völkerrechtlich bindendes Dokument verabschiedet wird. Würde dieser Vorschlag angenommen, würde den Regierungen die Möglichkeit genommen, viel anzukündigen, aber wenig zu realisieren.

Ein solches Protokoll fordern auch die Umweltorganisationen der Bundesrepublik. Über 100 dieser Klimagruppen wollen heute bei einem Kongreß in Bonn eine entsprechende Erklärung unterzeichnen: 20 Prozent weniger Treibhausgase bis zum Jahr 2005; wenn ein Staat noch weitere Maßnahmen treffen will, soll ihn nichts daran hindern, heißt es in ihren Forderungen.

Dem Bonner Umweltministerium, sonst stolz auf seine fortschrittlichen Vorschläge zur Klimapolitik, gehen diese Pläne der Inselstaaten und Umweltgruppen zuweit. Eine Zeitlang hatten die deutschen Klimaexperten zwar mit dem AOSIS-Vorschlag geliebäugelt. Doch neuerdings will man beim Klimagipfel in Berlin nur über ein „Elementepapier“ diskutieren, das die Deutschen dort verteilen werden. Darin ist nur noch von einer „anspruchsvollen Reduktion von CO2“ die Rede; eine 20-Prozent-Verpflichtung bis zum Jahr 2005 wird vom Umweltministerium nicht unterstützt, sondern nur „zur Kenntnis genommen“, wie es das deutsche Papier vorsichtig umschreibt. „Man wollte etwas machen, aber man traute sich nicht so recht“, kommentiert Raimund Bleischwitz vom Wuppertal-Institut solche nebulöse Phrasen.

Dabei hat die Bundesregierung noch eine Startposition, die es ihr sehr leicht macht, mit fortschrittlichen Klimazielen aufzutreten. Denn nach dem Zusammenbruch großer Teile der Industrie in den neuen Bundesländern sank der Energieverbrauch und damit der CO2-Ausstoß dramatisch, ohne daß die Politik irgendwas dazutun mußte. In den restlichen Industriestaaten kam diese besondere Spielart von „Rezessions-Klimaschutz“ nicht vor, weshalb es für Frankreich oder die USA erheblich aufwendiger wäre, eine vergleichbare CO2-Bilanz wie die Bundesrepublik zu erreichen. „Es gibt kein größeres Industrieland, das beim Klimaschutz mehr fordert als die Bundesrepublik“, sagt Raimund Bleischwitz vom Wuppertal-Institut. Auch aus der Sicht der restlichen, weniger industrialisierten Länder gibt es Wichtigeres als die Bekämpfung des Treibhauseffekts. Staaten, die vom Ölexport leben, sehen die Grundlage ihres Wohlstands gefährdet, wenn weltweit weniger Öl verbraucht wird. Schwellenländer fürchten, daß Klimaschutz ihren industriellen Aufstieg bremsen könnte. Und Entwicklungsländer schlagen sich mit Problemen herum, die auf den ersten Blick weit drängender sind als die Klimakatastrophe in den nächsten Jahrzehnten.

Wenig Chancen also für die Inselstaaten? So pessimistisch dürfe man den Klimagipfel in Berlin nicht sehen, meint Bleischwitz: „Es ist gut vorstellbar, daß in Berlin zwar eine Vereinbarung getroffen wird, die nicht ausreicht.“ Doch solche Vereinbarungen, die zum weiterverhandeln zwingen, könnten eine „eigene Dynamik“ entwickeln, sagt er. Dieses Prinzip der schrittweisen Erfolge hat schon einmal funktioniert. 1985 wurde eine Konvention zum Schutz der Ozonschicht beschlossen, damals eine eher zahnlose Waffe gegen die Verwendung von FCKW. Doch zwei Jahre später folgte die erste internationale Konferenz, die den Beschluß von 85 verschärfte – gewissermaßen ein Pendant zur Konferenz in Berlin im nächsten Frühjahr. Weitere Verhandlungsrunden halfen jeweils, die Einschränkungen für FCKW wieder ein Stückchen weiterzutreiben. In der Bundesrepublik wird auch dank dieses Verhandlungsmarathons inzwischen kein FCKW mehr produziert.

Doch heißt das nicht, daß der Berliner Klimagipfel und folgende Konferenzen automatisch zu einem ähnlichen Erfolg führen müssen. Denn FCKWs sind ein Kunstprodukt der Chemieindustrie, auf das vergleichsweise leicht verzichtet werden kann. Die Reduktion des Energieverbrauchs dagegen dürfte schwieriger werden.