Zwanzig Jahre Haft für oppositionelle Gesinnung

■ Chinas Regime merzt Dissidenten aus

Peking/Berlin (dpa/taz) – Beim größten Prozeß gegen chinesische Oppositionelle seit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 sind gestern in Peking neun Dissidenten „konterrevolutionärer Vergehen“ für schuldig befunden und zu Haftstrafen von bis zu 20 Jahren verurteilt worden. Die seit Jahren schärfsten Urteile ergingen, um das „sozialistische System und den reibungslosen Ablauf des wirtschaftlichen Aufbaus zu bewahren“, heißt es in der Begründung.

Die höchste Strafe von 20 Jahren erhielt der 39jährige Lektor am Pekinger Fremdspracheninstitut, Hu Shigen. Ihm wurde vorgeworfen, „eine konterrevolutionäre Gruppe organisiert und angeführt“ sowie „konterrevolutionäre Propaganda“ verbreitet zu haben. Aus demselben Grund wurden auch der 30jährige Doktor Kang Yuchen zu 17 Jahren und der Chemiearbeiter Liu Jingsheng zu 15 Jahren verurteilt.

Insgesamt standen 15 Angeklagte vor Gericht. Sie alle saßen seit 1992 im Gefängnis. Neben den neun zur Haft verurteilten wurden fünf weitere Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt. Ein sechster wurde für zwei Jahre unter Hausarrest gestellt.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Asia nannte die Strafen „völlig ungerechtfertigt“ und „erschreckend hoch“. Die chinesische Regierung sei fest entschlossen, die Dissidentenbewegung „vollkommen auszumerzen“, sagte der Hongkonger Leiter von Human Rights Watch, Robin Munro. „Das ist jetzt das bisher deutlichste Signal, wie falsch westliche Regierungen und Unternehmer liegen, wenn sie annehmen, daß marktwirtschaftliche Fortschritte auch Menschenrechte voranbringen.“ Chinas Regierung sei deutlich selbstbewußter geworden, nachdem die USA ihre Handelsvorteile nicht mehr von Menschenrechten abhängig machten und „jeder ein Stück von dem chinesischen Markt abbekommen möchte“. „Es gibt bei den Menschenrechten praktisch keinen internationalen Druck mehr.“